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Julia

Julia

Titel: Julia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Fortier
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den Ring zu finden. Tagelang suchte er sämtliche Bottini unter dem Palazzo Marescotti nach Romaninos Versteck ab. Als er endlich fündig wurde - er musste sich zu diesem Zweck extra einen Metalldetektor ausleihen -, begriff er, wieso noch nie jemand darüber gestolpert war: Das Kästchen war tief in eine schmale Mauerspalte hineingeschoben und mit zerbröckeltem Sandstein bedeckt.
    Als er es herauszog, fiel ihm wieder ein, dass Diane Tolomei gesagt hatte, er solle den Deckel möglichst nicht abnehmen, doch nach sechs Jahrhunderten zwischen Staub und Stein war das Holz derart trocken und brüchig geworden, dass es selbst eine ganz vorsichtige Berührung nicht mehr aushielt. Es zerbröselte wie ein Klumpen Sägemehl, und einen Augenblick später hielt Großvater Marescotti den Ring direkt in der Hand.
    Er beschloss, seinen irrationalen Ängsten nicht nachzugeben. Statt eine andere Schachtel für den Ring zu holen, steckte er ihn einfach in die Hosentasche und fuhr damit zurück zu seinem Landhaus außerhalb der Stadt. Nach dieser Fahrt mit dem Ring in der Tasche wurde in seiner Familie kein männliches Kind mehr geboren, das den Namen Romeo Marescotti hätte tragen können - zu seiner großen Enttäuschung bekamen alle immer nur Mädchen, Mädchen, Mädchen. Der einzige Romeo in der Familie blieb somit sein Enkelsohn, und er bezweifelte sehr, dass dieser rastlose Junge jemals heiraten und Söhne in die Welt setzen würde.
    Natürlich konnte Großvater Marescotti das alles zu jener Zeit noch gar nicht absehen, er war einfach nur glücklich darüber, dass er den Ring für Diane Tolomei gefunden hatte, und freute sich darauf, endlich den alten Cencio aus dem Jahre 1340 in die Hände zu bekommen und im ganzen Viertel herumzuzeigen. Er plante bereits, ihn dem Adlermuseum zu stiften, und stellte sich vor, wie er der Contrade beim nächsten Palio jede Menge Glück bringen würde.
    Aber dann kam alles ganz anders. An dem Tag, als Diane Tolomei sie erneut besuchen wollte, hatte er die ganze Familie zu einer großen Feier versammelt, und seine Frau kochte schon seit Tagen. Er hatte den Ring in ein neues Kästchen verpackt, und sie hatte eine rote Schleife herumgebunden. Sie waren sogar mit Romeo in die Stadt gefahren - und das, obwohl der Palio kurz bevorstand -, um ihm einen richtigen Haarschnitt verpassen zu lassen, statt ihm wie üblich einfach den Gnocchi-Topf über den Kopf zu stülpen und mit der Schere einmal rundherum zu schnippeln. Nun brauchten sie nur noch zu warten.
    Und sie warteten. Und warteten. Aber Diane Tolomei kam nicht. Normalerweise wäre Großvater Marescotti fuchsteufelswild geworden, doch dieses Mal hatte er eher Angst. Er konnte es nicht erklären. Ihm war, als hätte er Fieber, und er brachte auch keinen Bissen hinunter. Ein paar Stunden später hörte er die schreckliche Nachricht. Sein Cousin rief ihn an, um ihm zu erzählen, dass Professor Tolomeis Witwe zusammen mit ihren beiden kleinen Töchtern bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen sei. Man braucht nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen, wie Großvater Marescotti sich in dem Moment fühlte. Sowohl er als auch seine Frau weinten um Diane Tolomei, und noch am gleichen Abend setzte er sich hin und schrieb einen Brief an seine Tochter in Rom, in dem er sie bat, ihm zu verzeihen und nach Hause zu kommen. Doch sie schrieb nie zurück, und sie kam auch nie.
     

VIII.I
    Ich kaufte einen Sitz der Liebe mir,
    Doch ach! Besaß ihn nicht; ich bin verkauft,
    Doch noch nicht übergeben
     
    A ls Alessandro schließlich mit seiner Geschichte fertig war, lagen wir nebeneinander im wilden Thymian und hielten uns an den Händen.
    »Ich kann mich noch genau an den Tag erinnern«, fügte er hinzu, »als wir von dem Autounfall erfuhren. Ich war damals erst dreizehn, begriff aber trotzdem, wie schrecklich das war. Und ich musste an das kleine Mädchen denken - dich -, die angeblich meine Julia sein sollte. Natürlich wusste ich schon damals, dass ich Romeo bin, aber an Julia hatte ich bis zu dem Zeitpunkt noch kaum einen Gedanken verschwendet. Nun begann ich über sie nachzudenken, und mir wurde plötzlich bewusst, wie seltsam es ist, Romeo zu sein, wenn es auf der Welt keine Julia gibt. Seltsam und einsam.«
    »Ach, jetzt hör aber auf!« Ich stützte mich auf einen Ellbogen und kitzelte sein ernstes Gesicht mit einem Veilchen. »Ich bin sicher, es hat dir trotzdem nicht an williger weiblicher Gesellschaft gemangelt.«
    Grinsend fegte er das Veilchen

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