Julia
wiederum erklärt, warum er mir im Namen von Tante Rose diesen gefälschten Brief geschrieben hat, in dem er mich aufforderte, nach Siena zu reisen und als Erstes in den Palazzo Tolomei zu gehen, um mit Presidente Maconi zu sprechen. Den Namen hatte er vermutlich von Mom.«
»Aber nach so langer Zeit!« Janice hatte es derart eilig, uns nachzuschenken, dass sie ein wenig Wein verschüttete und ein paar Tropfen auf den Fotos landeten. »Warum hat er das nicht schon Jahre früher gemacht? Warum hat er Tante Rose nicht alles erklärt, als sie noch am Leben war ...?«
»Das liegt doch wohl auf der Hand!« Rasch wischte ich den Wein von den Fotos. »Er konnte ihr unmöglich die Wahrheit sagen. Sie hätte sofort die Polizei gerufen.« Ich spielte für einen Moment Umberto und brummte mit tiefer Stimme: »Übrigens, Rosie-Püppchen, in Wirklichkeit bin ich Luciano Salimbeni - ja, der Mann, der Diane getötet hat und von den italienischen Behörden gesucht wird. Hättest du dir je die Mühe gemacht, Diane - Gott hab sie selig - in Italien zu besuchen, dann wärst du mir bestimmt hundertmal begegnet.«
»Aber was für ein Leben!«, warf Janice ein. »Sieh dir das doch mal an ...« Sie deutete auf die Fotos, auf denen Umberto seinen Ferrari an einem Aussichtspunkt oberhalb eines toskanischen Tals geparkt hatte und liebevoll in die Kamera lächelte. »Er hatte alles, was man sich nur wünschen kann! Und dann wird er ... Dienstbote bei Tante Rose.«
»Vergiss nicht«, antwortete ich, »dass er auf der Flucht war.
Aless ... Jemand hat mir erzählt, dass er zu den meistgesuchten Kriminellen Italiens gehörte. Er konnte schon von Glück reden, dass er nicht im Gefängnis saß. Oder tot war. Als Angestellter von Tante Rose hatte er zumindest die Möglichkeit, sein Leben in relativer Freiheit zu verbringen und uns aufwachsen zu sehen.«
»Ich glaube es noch immer nicht!« Janice schüttelte entschieden den Kopf. »Zugegeben, Mom ist auf ihrem Hochzeitsfoto schwanger, aber das passiert schließlich vielen Frauen. Es bedeutet nicht notwendigerweise, dass der Bräutigam nicht der Vater ist.«
»Jan!« Ich schob ein paar von den Hochzeitsfotos zur ihr hinüber. »Professor Tolomei war alt genug, um ihr Großvater zu sein. Versetz dich doch mal für eine Sekunde in ihre Lage.« Als ich merkte, dass sie fest entschlossen war, bei ihrer Meinung zu bleiben, packte ich sie am Arm und zog sie näher zu mir heran. »Nun komm schon, es ist die einzig logische Erklärung. Sieh ihn dir doch an ...« Ich griff nach einem von den vielen Fotos, die Umberto auf einer Decke im Gras zeigten, während Janice und ich auf ihm herumkrabbelten. »Er liebt uns.« Kaum hatte ich die Worte ausgesprochen, spürte ich auch schon einen dicken Kloß im Hals und musste heftig schlucken, um nicht in Tränen auszubrechen. »Ach, verdammt!«, stöhnte ich. »Allmählich ist mein Bedarf wirklich gedeckt.«
Für einen Moment schwiegen wir beide betreten. Dann stellte Janice ihr Weinglas ab und griff nach einem Gruppenfoto, das vor dem Castello Salimbeni aufgenommen war. »Heißt das«, fragte sie schließlich, »deine Mafiakönigin ist unsere ... Großmutter?« Das Foto zeigte Eva Maria mit einem riesigen Hut und zwei kleinen Hündchen an der Leine, und neben ihr Mom in weißer Hose und mit einem Klemmbrett, das sie sehr geschäftig wirken ließ, während Professor Tolomei gerade stirnrunzelnd etwas zu der Person sagte, die das Foto machte, und der junge Umberto mit verschränkten Armen an seinem Ferrari lehnte. »Was auch immer es bedeutet«, fuhr sie fort, ehe ich ihr eine Antwort geben konnte, »ich hoffe, er läuft mir nie wieder über den Weg.«
Wahrscheinlich hätten wir es kommen sehen müssen. Zu sehr damit beschäftigt, den Knoten zu entwirren, zu dem unser Leben geworden war, hatten wir völlig vergessen, auf nächtliche Geräusche zu achten oder uns zumindest mal für einen Moment zurückzulehnen und unseren gesunden Menschenverstand zu gebrauchen.
Erst, als uns aus Richtung Bürotür eine Stimme ansprach, begriffen wir, wie schwachsinnig es von uns gewesen war, in Moms Haus Zuflucht zu suchen.
»Was für ein nettes kleines Familientreffen«, verkündete Umberto, während er vor zwei anderen Männern, die ich noch nie gesehen hatte, den Raum betrat. »Ihr müsst entschuldigen, dass wir euch so lange haben warten lassen.«
»Umberto!«, rief ich und sprang von meinem Stuhl hoch. »Was um alles in der Welt ...«
»Julia! Nein!« Mit angstverzerrtem
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