Julia
Wahrheit gesagt. Und zwar schon Vorjahren.« Ich hielt einen Moment inne, um tief Luft zu holen, weil mir meine Emotionen noch immer den Hals zuschnürten. »Vielleicht hätten wir das alles dann vermeiden können.«
»Vielleicht. Aber dafür ist es nun zu spät. Ich wollte nicht, dass ihr Bescheid wisst ... Ich wollte, dass ihr ein glückliches Leben führen könnt, wie ganz normale Menschen.«
Umberto erzählte uns, wie er an dem Abend nach Tante Roses Tod bei Eva Maria in Italien angerufen und ihr alles erzählt hatte - sogar, dass sie zwei Enkeltöchter habe. Als er sie anschließend fragte, ob sie irgendeine Möglichkeit sehe, ihm zu helfen, die Ganoven auszuzahlen, antwortete sie ihm, innerhalb von nur drei Wochen könne sie unmöglich so viel Geld flüssig machen. Zuerst wollte sie die Polizei und ihren Patensohn Alessandro einschalten, aber Umberto wusste es besser. Es gab nur einen einzigen Weg aus diesem Dilemma: zu tun, was diese Arschlöcher sagten, und die verdammten Steine zu finden.
Letztendlich erklärte sich Eva Maria bereit, ihm zu helfen, und versprach, sich durch irgendeinen Trick die Unterstützung der Lorenzo-Bruderschaft in Viterbo zu sichern. Ihre einzige Bedingung war, dass sie, wenn alles vorbei war, endlich ihre Enkeltöchter kennenlernen konnte, diese aber nie von all den Verbrechen ihres Vaters erfahren durften. Damit war Umberto einverstanden. Er hatte sowieso nie gewollt, dass die Mädchen von seiner kriminellen Vergangenheit erfuhren. Genau aus diesem Grund hatte er ihnen ja sogar verschwiegen, dass er ihr Vater war. Er befürchtete, dass sie, sollten sie jemals hinter dieses Geheimnis kommen, auch alles andere herausfinden würden.
»Aber das ist doch lächerlich!«, widersprach ich. »Hättest du uns die Wahrheit gesagt, hätten wir es bestimmt verstanden.«
»Meinst du?«, antwortete Umberto bedrückt. »Ich bin mir da nicht so sicher.«
»Tja«, mischte Janice sich in scharfem Ton ein, »das werden wir nun niemals wissen.«
Umberto ignorierte ihren Kommentar und erzählte einfach weiter. Demnach war Eva Maria gleich am nächsten Tag nach Viterbo gefahren, um mit Bruder Lorenzo zu sprechen, und hatte durch dieses Gespräch in Erfahrung gebracht, was alles nötig war, damit ihr die Mönche bei der Suche nach dem Grab von Romeo und Giulietta halfen. Bruder Lorenzo erklärte ihr, sie müsse ihn und seine Mitbrüder zu einer bestimmten Zeremonie einladen, die dazu diene, die Sünden der Salimbenis und Tolomeis »zu sühnen«. Anschließend werde er sie und die anderen reuigen Sünder dann zu dem Grab führen, damit sie vor der Jungfrau Maria knien und sie um Gnade bitten konnten.
Das einzige Problem war, dass Bruder Lorenzo nicht ganz genau wusste, wie man zu dem Grab gelangte. Ihm war bekannt, dass es irgendwo in Siena einen geheimen Eingang gab, und er kannte auch den weiteren Weg bis zum Grab, doch wo genau sich der Eingang befand, wusste er nicht. Irgendwann einmal, so erzählte er Eva Maria, hatte ihn eine junge Frau namens Diane Tolomei aufgesucht, die behauptete, herausgefunden zu haben, wo der Eingang sei, sich aber weigerte, es ihm zu verraten, weil sie befürchtete, die falschen Leute könnten die Statue finden und zerstören.
Sie hatte außerdem behauptet, sie sei auch auf den Cencio aus dem Jahre 1340 gestoßen und habe damit ein Experiment vor: Ihre kleine Tochter Giulietta sollte sich zusammen mit einem Jungen namens Romeo auf den Cencio legen, weil das ihrer Meinung nach irgendwie dazu beitragen würde, die Sünden der Vergangenheit ungeschehen zu machen. Bruder Lorenzo war nicht so sicher, dass das funktionieren würde, erklärte sich aber bereit, einen Versuch zu wagen. Sie einigten sich darauf, dass Diane ein paar Wochen später noch einmal kommen sollte und sie sich dann gemeinsam auf die Suche nach dem Grab machen würden. Bedauerlicherweise aber fand dieses zweite Treffen nie statt.
Als Eva Maria Umberto das alles berichtete, keimte in ihm die Hoffnung auf, dass ihr Plan wirklich funktionieren könnte. Soweit er wusste, hatte Diane eine Truhe mit wichtigen Dokumenten in der Bank im Palazzo Tolomei deponiert. Er war sicher, dass sich in diesen Papieren ein Hinweis auf den geheimen Eingang zum Grab finden würde.
»Ihr müsst mir glauben«, sagte Umberto, weil er wahrscheinlich meinen Zorn spürte, »dass ich euch wirklich nicht in die Sache mit hineinziehen wollte, aber da mir nur noch zwei Wochen blieben ...«
»Hast du mir dieses Theater vorgespielt«,
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