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Julia

Julia

Titel: Julia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Fortier
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seufzend sagte: »Tja, ich glaube, du schuldest Jules eine Entschuldigung ...«
    »Jan!«, unterbrach ich sie. »Fang besser gar nicht erst davon an!«
    »Aber überleg doch mal, was dir passiert ist ...«, antwortete sie stur.
    »Das war meine eigene Schuld!«, gab ich zurück. »Immerhin war ich diejenige, die ...« Ich wusste nicht recht, wie ich es formulieren sollte.
    Umberto grunzte. »Es ist wirklich nicht zu fassen! Habe ich euch beiden eigentlich gar nichts beigebracht? Du kennst ihn gerade mal eine Woche ... und schon gibt es kein Halten mehr! Ihr zwei wart wirklich süß!«
    »Du hast uns beobachtet?« Vor Scham wäre ich am liebsten im Erdboden versunken. »Das ist so ...«
    »Ich brauchte den Cencio!«, erklärte Umberto. »Es wäre alles so einfach gewesen, hättet ihr beide nicht ...«
    »Weil wir gerade bei dem Thema sind«, unterbrach ihn Janice, »wie viel hat Alessandro eigentlich von alledem gewusst?«
    Umberto schnaubte verächtlich. »Nicht viel. Er wusste, dass Julia Eva Marias Enkeltochter ist und dass Eva Maria ihr das persönlich sagen wollte. Sonst nichts. Wie bereits erwähnt, konnten wir auf keinen Fall riskieren, dass er die Polizei einschaltete. Deswegen hat Eva Maria ihn, was den Dolch und den Ring betraf, erst kurz vor Beginn der Zeremonie aufgeklärt. Glaub mir, Julia, er war alles andere als glücklich darüber, dass sie ihn darüber so lange im Dunkeln gelassen hatte, aber sie konnte ihm begreiflich machen, wie wichtig es für sie und für dich war, eine Zeremonie durchzuführen, die - angeblich - dem Familienfluch ein Ende setzen würde. So erklärte sich Alessandro schließlich doch bereit mitzuspielen.« Umberto schwieg einen Moment, ehe er in sanfterem Ton hinzufügte: »Wie schade, dass das alles nun auf diese Weise endet.«
    »Wer sagt, dass wir schon am Ende sind?«, fauchte Janice.
    Umberto sprach es nicht laut aus, aber ich bin sicher, meine Schwester wusste genau wie ich, was er dachte: Oh, glaubt mir, es ist das Ende.
    Während wir so dalagen, eingehüllt in bitteres Schweigen, spürte ich, wie die Schwärze von allen Seiten auf mich zukroch und durch unzählige kleine Wunden in meinen Körper eindrang, bis ich das Gefühl hatte, von Kopf bis Fuß von Verzweiflung erfüllt zu sein. Die Angst, die ich verspürt hatte, als Bruno Carrera hinter mir her war oder als Janice und ich in den Bottini festsaßen, war nichts im Vergleich zu dem, was ich nun empfand - zerrissen von Bedauern und gequält von dem Bewusstsein, dass ich keine Gelegenheit mehr haben würde, die Dinge richtigzustellen.
    »Nur so aus Neugier«, murmelte Janice, deren Gedanken offenbar in eine ganze andere Richtung gingen als meine, aber vielleicht genauso verzweifelt waren, »hast du sie eigentlich je wirklich geliebt? Mom, meine ich?«
    Als Umberto ihr nicht gleich eine Antwort gab, fügte sie ein wenig zaghafter hinzu: »Und hat sie ... dich geliebt?«
    Umberto seufzte. »Sie hat es geliebt, mich zu hassen. Das bereitete ihr den allergrößten Genuss. Sie hat immer gesagt, es sei in unseren Genen verankert, dass wir uns ständig streiten mussten, und sie wolle es auch gar nicht anders. Sie nannte mich immer ...« - er hielt einen Moment inne, weil ihm die Stimme fast den Dienst versagte - »Nino.«
     
    Als der Lieferwagen schließlich zum Stehen kam, hatte ich fast vergessen, wohin wir unterwegs waren, und warum. Sobald jedoch die Türen aufschwangen und vor dem Hintergrund des vom Mond beleuchteten Doms von Siena die Silhouetten von Cocco und seinen Kumpanen sichtbar wurden, kam die Erinnerung sofort zurück und traf mich wie in Tritt in den Magen.
    Die Männer zerrten uns an den Knöcheln von der Ladefläche, als wären wir nichts als Gepäck, ehe sie hineinstiegen, um Bruder Lorenzo zu holen. Das alles passierte so schnell, dass ich kaum Schmerz empfand, obwohl ich ein paarmal hart auf dem gerillten Boden aufschlug. Sowohl Janice als auch ich schwankten ein wenig, als sie uns schließlich draußen abstellten, weil wir uns nach dem langen Liegen im Dunkeln beide erst wieder ans aufrechte Stehen gewöhnen mussten.
    »Sieh mal!«, zischte Janice mit einem Hauch von Hoffnung in der Stimme. »Musikanten!«
    Sie hatte recht. Nur einen Steinwurf von unserem Lieferwagen entfernt parkten drei andere Wagen, und ein halbes Dutzend Männer stand im Frack und mit Cello- oder Geigenkoffern herum und unterhielt sich, die meisten mit einer Zigarette in der Hand. Bei ihrem Anblick empfand auch ich eine Spur von

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