Julia
sich in die Robe der Kultiviertheit gehüllt, gierte jedoch unter seinem feinen Stoff nach Konflikten.
»Ihr irrt Euch, Comandante«, meldete sich Salimbeni, der seine Macht über das Gespräch genoss, lächelnd zu Wort, »ich finde Gespräche, die nicht bis morgen warten können, immer höchst faszinierend. Wie Ihr wisst, sind Messer Tolomei und ich ja beste Freunde, so dass er meinen ...« - Salimbeni war immerhin so ehrlich, über seine eigene Wortwahl zu lachen -»bescheidenen Rat hinsichtlich seiner ungemein wichtigen Geschäfte gewiss zu schätzen wüsste.«
»Verzeiht«, sagte der Comandante, der wohl den weisen Entschluss gefasst hatte, mit einer Verbeugung das Weite zu suchen, »aber Ihr habt recht. Die Sache kann bis morgen warten.«
»Nein!« Romeo war unfähig, von dort wegzugehen, ohne dass sie ihr Anliegen vorgebracht hatten, deswegen trat er so schnell vor, dass sein Vater ihn nicht zurückhalten konnte. »Die Sache kann nicht warten! Messer Tolomei, ich wünsche Eure Nichte zu heiraten, Giulietta.«
Tolomei traf dieser direkte Antrag derart unvorbereitet, dass er außerstande war, sofort darauf zu antworten. Wobei er keineswegs der Einzige war, den Romeos impulsive Einmischung in das Gespräch der älteren Männer zum Verstummen gebracht hatte. Rundherum reckten die Leute die Hälse, um zu sehen, wer wohl den Mut besaß, als Nächster die Stimme zu erheben. Hinter der Säule presste Giulietta eine Hand vor den Mund. Sie war zutiefst gerührt von Romeos Ungeduld, zugleich aber entsetzt, weil er gegen den ausdrücklichen Wunsch seines Vaters so impulsiv vorgeprescht war.
»Wie Ihr eben hören konntet«, erklärte Comandante Marescotti dem immer noch sprachlosen Tolomei mit bemerkenswerter Ruhe, »wollte ich Euch eine Ehe zwischen meinem ältesten Sohn Romeo und Eurer Nichte Giulietta vorschlagen. Wie Ihr sicher wisst, sind wir eine Familie mit beträchtlichem Vermögen und einem hervorragenden Ruf, so dass ich Euch -mit all dem Euch gebührenden Respekt - versprechen kann, dass Eure Nichte dadurch keinen Verlust an Luxus oder Status erleiden würde. Wenn mein Sohn Romeo nach meinem Tod die Nachfolge als Familienoberhaupt antritt, wird seine Frau Herrin über einen umfangreichen Besitz, bestehend aus zahlreichen Haushalten und großen Ländereien. Die Einzelheiten habe ich in einem Dokument dargelegt. Wann wäre denn ein guter Zeitpunkt für einen Besuch, damit ich Euch besagtes Dokument persönlich überreichen kann?«
Tolomei gab ihm keine Antwort. Über sein Gesicht huschten seltsame Schatten, fast wie Haie, die ihr Opfer unter der Wasseroberfläche umkreisten. Ihm war anzusehen, dass er irgendwie in der Klemme saß und nach einem Ausweg suchte.
»Falls Ihr Euch wegen ihres Glückes sorgt«, fuhr Comandante Marescotti fort, obwohl ihm das Zögern seines Gegenübers gar nicht recht gefiel, »dann bin ich in der glücklichen Lage, Euch versichern zu können, dass mein Sohn gegen diese Ehe keinerlei Einwände hat.«
Als Tolomei schließlich antwortete, klang seine Stimme nicht allzu hoffnungsvoll. »Ein höchst großzügiges Angebot von Euch, Comandante«, erklärte er grimmig, »durch das ich mich sehr geehrt fühle. Ich werde Euer Dokument mit Interesse studieren und Euer Angebot gerne in Betracht ...«
»Ihr werdet nichts dergleichen tun!« Wütend darüber, dass ihn die beiden Männer überhaupt nicht mehr beachteten, trat Salimbeni zwischen sie.
Comandante Marescotti wich einen Schritt zurück. Als Armeekommandant rechnete er zwar stets mit Angriffen aus dem Hinterhalt, doch Salimbeni war gefährlicher als jeder Feind von außen. »Ihr müsst entschuldigen«, sagte er, »ich glaube, Messer Tolomei und ich führen gerade ein Gespräch.«
»Ihr könnt so viele Gespräche führen, wie Ihr wollt«, konterte Salimbeni, »aber das Mädchen gehört mir. Nur unter dieser einen Bedingung bin ich bereit, diesen lächerlichen Frieden aufrechtzuerhalten.«
Wegen des allgemeinen Aufruhrs, den Salimbenis unverschämte Forderung hervorrief, hörte niemand Giuliettas Entsetzensschrei. Hinter ihre Säule gekauert, schlug sie beide Hände vor den Mund und schickte ein rasches Stoßgebet gen Himmel - in der Hoffnung, dass sie den Wortwechsel der Männer irgendwie missverstanden hatte und es dabei nicht um sie, sondern um ein anderes Mädchen ging.
Als sie schließlich wieder einen vorsichtigen Blick riskierte, sah sie, wie ihr Onkel Tolomei, dessen Miene mittlerweile mehr als gequält wirkte, um Salimbeni
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