Julia
Agnese«, erklärte Salimbeni ungerührt, »wird diesen Monat nicht überleben. Sie liegt in Rocca di Tentennano auf ihrem Sterbebett und nimmt keine Nahrung mehr zu sich.«
»Es ist auch schwer«, murmelte einer von den Biccherna-Räten, »etwas zu essen, wenn einem nichts vorgesetzt wird!«
»Für eine Hochzeit zwischen ehemals verfeindeten Familien werdet Ihr die Zustimmung des Papstes einholen müssen«, gab Niccolino Patrizi zu bedenken, »und ich bezweifle, dass er sie Euch erteilen wird. Den Weg zwischen Euren beiden Häusern hat ein so reißender Strom aus Blut fortgespült, dass kein aufrechter Mann seine Tochter hinüberschicken kann. Ein böser Geist ...«
»Nur eine Ehe kann böse Geister verscheuchen!«
»Da ist der Papst aber anderer Meinung!«
»Schon möglich«, sagte Salimbeni, der sich ein höhnisches Lächeln nicht verkneifen konnte, »aber der Papst schuldet mir Geld. Genau wie Ihr. Ihr alle.«
Diese unverschämte Äußerung zeigte die gewünschte Wirkung: Niccolino Patrizi, der vor Wut und Scham rot angelaufen war, setzte sich wortlos, während Salimbeni kühn zum Rest der Regierung hinaufblickte, als wollte er sie dazu herausfordern, gegen sein Vorhaben Einspruch zu erheben. Doch niemand auf dem Podium meldete sich zu Wort.
»Messer Salimbeni!« Eine Stimme schnitt durch das zaghafte Gemurmel, mit dem die Leute rundherum ihre Entrüstung zum Ausdruck brachten. Alle reckten die Hälse nach dem Herausforderer.
»Wer spricht da?« Salimbeni war stets hocherfreut, wenn sich ihm die Gelegenheit bot, einen weniger hochgestellten Mann in seine Schranken zu verweisen. »Seid nicht schüchtern!«
»Ich bin in demselben Maße schüchtern«, entgegnete Romeo, während er mutig vortrat, »wie Ihr tugendhaft seid, Messer Salimbeni.«
»Und was, bitte«, fragte Messer Salimbeni hoch erhobenen Hauptes, weil er hoffte, auf diese Weise größer zu wirken als sein Kontrahent, »könnt Ihr mir zu sagen haben?«
»Lediglich«, antwortete Romeo, »dass die Dame, die Ihr begehrt, bereits einem anderen gehört.«
»Tatsächlich?« Salimbeni warf einen Blick zu Tolomei hinüber. »Wie das?«
Romeo richtete sich auf. »Die Jungfrau Maria hat sie in meine Hände übergeben, damit ich sie auf ewig beschütze. Und was der Himmel verbunden hat, das soll der Mensch nicht trennen!«
Salimbeni starrte ihn erst ungläubig an, dann brach er in Lachen aus. »Gut gesprochen, mein Junge. Jetzt erkenne ich Euch. Euer Dolch hat kürzlich einen guten Freund von mir das Leben gekostet, aber ich werde großzügig sein und Euch nichts nachtragen, nachdem ich nun ja weiß, wie gut Ihr auf meine zukünftige Braut aufgepasst habt.«
Salimbeni wandte sich demonstrativ ab, um klarzustellen, dass er das Gespräch damit für beendet hielt. Alle Augen richteten sich nun auf Romeo, dessen Gesicht vor Abscheu rot anlief. Nicht wenige der Zuschauer empfanden Mitleid mit diesem jungen Mann, der so offensichtlich ein Opfer des raffinierten kleinen Bogenschützen geworden war.
»Komm, mein Sohn«, sagte Comandante Marescotti und setzte sich in Bewegung, »lass uns nicht dort verharren, wo der Wettstreit bereits verloren ist.«
»Verloren?«, rief Romeo. »Es hat doch nie ein Wettstreit stattgefunden!«
»Was auch immer diese beiden Männer ausgehandelt haben«, sagte sein Vater, »fest steht, dass sie es unter dem Altar der Jungfrau per Handschlag besiegelt haben. Lege dich mit ihnen an, und du legst dich mit Gott an.«
»Genau das werde ich tun«, rief Romeo, »denn der Himmel hat sich gegen sich selbst gewandt, indem er das alles zulässt!«
Als der junge Mann erneut vortrat, war keine Handbewegung nötig, um für Ruhe zu sorgen. Alle Blicke waren bereits in nervöser Erwartung auf ihn gerichtet.
»Heilige Mutter Gottes«, rief Romeo, der die ganze Versammlung damit überraschte, dass er sich mehr an die leere Luft der Kirchenkuppel als an Salimbeni wandte, »an diesem besonderen Abend wird hier in diesem Haus, direkt unter Eurem Mantel ein großes Verbrechen begangen! Ich flehe Euch an, dass Ihr die Schurken zur Ordnung ruft und Euch ihnen zeigt, damit niemand mehr Euren göttlichen Willen bezweifelt. Macht den Mann, der den Palio gewinnt, zu Eurem Auserwählten! Schenkt mir Euer heiliges Banner, damit ich es über mein Hochzeitsbett breiten und mit meiner rechtmäßigen Braut darauf ruhen kann ! Dann werde ich es befriedigt an Euch zurückgeben, o gnadenreiche Mutter, denn es wurde nach Eurem Willen gewonnen und mir allein
Weitere Kostenlose Bücher