Julia
durch Eure Hand zuteil, um der ganzen Menschheit zu zeigen, wem Ihr in dieser Angelegenheit Euren Beistand schenkt!«
Als Romeo schließlich verstummte, gab es rundherum keinen Mann, der ihm in die Augen sehen konnte. Ein Teil war wegen seiner Blasphemie wie versteinert, andere fanden es beschämend, dass ein Marescotti einen derart selbstsüchtigen und ungewöhnlichen Handel mit der Jungfrau Maria einging, die meisten aber empfanden einfach Mitleid mit seinem Vater, Comandante Marescotti, diesem allseits bewunderten Mann. Der Großteil der Leute war davon überzeugt, dass der junge Romeo Marescotti - sei es durch göttliches Eingreifen in Folge einer solch himmelschreienden Lästerung oder einfach aufgrund der Zwänge menschlicher Politik - den Palio nicht überleben würde.
IV.III
Ja, ja! geritzt! geritzt!
Wetter, 's ist genug.
Wo ist mein Bursch?
Geh, Schurk! Hol einen Wundarzt
Mit sehr gemischten Gefühlen verließ ich das Eulenmuseum. Einerseits empfand ich es als Erleichterung, dass der Cencio und Romeos Dolch nun in Peppos Safe lagen. Andererseits bedauerte ich, die Sachen so schnell aus der Hand gegeben zu haben. Was, wenn es der Wunsch meiner Mutter gewesen war, dass ich sie für einen bestimmten Zweck benutzte? Was, wenn sie irgendeinen Hinweis darauf bargen, wo sich Julias Grab befand?
Auf dem Rückweg zum Hotel quälte mich der Wunsch, kehrtzumachen und meine Schätze wieder einzufordern. Ich gab diesem Wunsch nur deswegen nicht nach, weil mir klar war, dass meine Befriedigung darüber, die Sachen wiederzuhaben, von der Sorge überschattet sein würde, was wohl als Nächstes mit ihnen passieren würde. Wer sagte mir, dass sie in Direttor Rossinis Safe sicherer waren als in dem von Peppo? Mein Verfolger wusste schließlich, wo ich wohnte - wie hätte er sonst in mein Zimmer einbrechen können? -, und früher oder später würde er herausfinden, wo ich meine Sachen aufbewahrte.
Ich glaube, in dem Moment blieb ich mitten auf der Straße wie angewurzelt stehen. Mir war bisher gar nicht in den Sinn gekommen, dass ich kaum etwas Dümmeres tun konnte, als ins Hotel zurückzukehren, auch wenn ich die kostbaren Gegenstände inzwischen nicht mehr bei mir trug. Zweifellos wartete der Kerl nur darauf, dass ich genau das tat, und nach unserem kleinen Versteckspiel im Universitätsarchiv war er vermutlich nicht besonders großherzig gestimmt.
Ich sollte auf jeden Fall das Hotel wechseln, und zwar so, dass sich meine Spur verlor. Vielleicht war es tatsächlich an der Zeit, in den nächsten Flieger zurück nach Virginia zu springen?
Nein. Ich durfte nicht aufgeben. Nicht jetzt, wo ich endlich ein wenig vorankam. Ich musste mir ein anderes Hotel suchen, und zwar am besten heute Abend, im Schutz der Dunkelheit. Ab jetzt war ich unsichtbar, gerissen und gefährlich. Diesmal würde Julia es allen zeigen.
In der Straße, in der das Hotel Chiusarelli lag, gab es auch ein Polizeirevier. Ich trödelte ein wenig davor herum, und während ich zusah, wie die Beamten kamen und gingen, fragte ich mich, ob das wirklich ein kluger Schachzug wäre - mich bei den örtlichen Vertretern des Gesetzes bekanntzumachen und zu riskieren, dass sie hinter meine Doppelidentität kamen. Am Ende beschloss ich, es lieber sein zu lassen. Aufgrund meiner Erfahrungen in Rom und Kopenhagen wusste ich, dass Polizeibeamte genau wie Journalisten sind: Sie hören sich deine Geschichte zwar an, ziehen es dann aber vor, ihre eigene zu fabrizieren.
Also ging ich zurück in die Innenstadt, wobei ich mich alle zehn Schritte nach einem potentiellen Verfolger umdrehte und gleichzeitig überlegte, welche Taktik ich nun konkret anwenden sollte. Ich machte sogar einen Abstecher in die Bank im Palazzo Tolomei, um in Erfahrung zu bringen, ob Presidente Maconi vielleicht Zeit hatte, mich zu empfangen und zu beraten. Unglücklicherweise war dem nicht so, aber die Schalterangestellte mit den schmalen Brillengläsern - inzwischen meine beste Freundin - versicherte mir, dass er sich bestimmt sehr freuen würde, mich wiederzusehen, wenn er aus seinem Urlaub am Comer See zurückkam. Was allerdings noch zehn Tage dauern würde.
Seit meiner Ankunft in Siena war ich bereits mehrfach am furchteinflößenden Haupteingang von Monte dei Paschi vorübergegangen. Ich hatte jedes Mal meine Schritte beschleunigt, um möglichst schnell und unbemerkt an dieser Salimbeni-Festung vorbeizukommen, und dabei sogar den Kopf eingezogen, weil ich nicht wusste, ob das
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