Julia
sehen, wer die Frechheit besaß, während des Spiels zu stören. Bei meinem Anblick machte er ein Gesicht, als hätte ihm gerade jemand eine Bratpfanne über den Kopf gezogen.
»Tut mir leid, dass ich störe«, sagte ich mit einem zaghaften Lächeln und gab mir gleichzeitig große Mühe, nicht auszusehen wie Bambi auf Stelzen, obwohl ich mich genau so fühlte, »aber hätten Sie vielleicht einen Moment Zeit für mich?«
Wenige Sekunden später hatten die beiden anderen Männer bereits den Raum verlassen. Im Gehen hatten sie nach ihren Waffen und Uniformjacken gegriffen und sich die Reste ihrer Sandwiches in den Mund geschoben.
»So«, sagte Alessandro, während er dem Fußballspiel den Garaus machte und die Fernbedienung beiseite warf, »nun bin ich aber neugierig.« Er war definitiv kein Mann vieler Worte. Die Art, wie er mich ansah, ließ allerdings vermuten, dass er - ungeachtet der Tatsache, dass ich zum kriminellen Abschaum der Gesellschaft gehörte - insgeheim erfreut war mich zu sehen.
Ich ließ mich auf einen Stuhl sinken und betrachtete die Waffen an der Wand. »Ist das Ihr Büro?«
»Ja ...«Er zog einen heruntergerutschten Hosenträger hoch und ließ sich auf der anderen Seite des Tisches nieder. »Hier unten führen wir unsere Befragungen durch. Meist trifft es Amerikaner. Früher war es mal eine Folterkammer.«
Sein herausfordernder Blick ließ mich mein Unbehagen und den Anlass meines Kommens fast vergessen. »Das passt zu Ihnen.«
»Fand ich auch.« Er stemmte einen schweren Stiefel gegen die Seite des Tisches und ließ sich dann nach hinten sinken, bis er mit dem Rücken an der Wand lehnte. »Also schießen Sie los, ich höre Ihnen zu. Sie haben bestimmt einen handfesten Grund für Ihren Besuch.«
»Als handfest würde ich ihn nicht gerade bezeichnen.« Ich wandte den Blick ab und versuchte mich vergeblich an die offizielle Version meiner Geschichte zu erinnern, die ich mir auf dem Weg nach unten zurechtgelegt hatte. »Sie halten mich ja offensichtlich für ein ganz raffiniertes Luder ...«
»Da kenne ich schlimmere.«
»... und ich gehöre auch nicht gerade zu Ihrem Fanclub.«
Er lächelte ironisch. »Trotzdem sind Sie hier.«
Während ich die Arme vor der Brust verschränkte, musste ich mir ein nervöses Lachen verbeißen. »Mir ist bekannt, dass Sie mich nicht für Giulietta Tolomei halten, aber wissen Sie, was? Das ist mir egal. Was ich Ihnen zu sagen habe, lässt sich auf einen kurzen Nenner bringen ...« Ich musste schlucken, ehe ich weitersprechen konnte. »Jemand versucht mich zu töten.«
»Sie meinen, abgesehen von Ihnen selbst?«
Sein Sarkasmus half mir, mich wieder zu fangen. »Jedenfalls ist ein Kerl hinter mir her«, antwortete ich schroff. »Von der übelsten Sorte. Trägt immer Trainingsanzug. Echter Abschaum. Anfangs dachte ich, er wäre ein Freund von Ihnen.«
Alessandro zuckte nicht mal mit der Wimper. »Und was erwarten Sie jetzt von mir?«
»Keine Ahnung ...« Ich hielt in seinen Augen nach einem Funken Mitgefühl Ausschau. »Vielleicht, dass Sie mir helfen?«
Da war doch ein Funke - allerdings eher einer des Triumphes. »Warum sollte ich?«, fragte er. »Helfen Sie mir auf die Sprünge.«
»Hey«, rief ich, über seine Einstellung ehrlich entsetzt, »immerhin bin ich eine ... Maid in Not!«
»Und wer bin ich, Zorro?«
Ich unterdrückte ein Stöhnen. Mittlerweile ärgerte ich mich über mich selbst. Wie war ich nur auf die Idee gekommen, mein Schicksal könnte ihn interessieren? »Ich dachte, italienische Männer wären empfänglich für weiblichen Charme.«
Er ließ sich meinen Einwand kurz durch den Kopf gehen. »Sind wir ja auch. Wenn uns welcher unterkommt.«
»Also gut, hören Sie zu.« Ich versuchte, meinen Zorn hinunterzuschlucken. »Sie wollen, dass ich mich zum Teufel schere, und das werde ich auch. Ich werde in die Staaten zurückkehren und Sie und Ihre märchenhafte Patentante nie wieder belästigen. Aber vorher möchte ich wissen, wer dieser Kerl ist, und dafür sorgen, dass ihm jemand den Arsch wegbläst.«
»Und dieser jemand bin ich?«
Ich funkelte ihn finster an. »Offenbar nicht. Ich war bloß der irrigen Annahme, Sie würden vielleicht nicht wollen, dass ein solcher Kerl in Ihrem teuren Siena sein Unwesen treibt. Aber ...« - ich machte Anstalten, mich zu erheben - »wie ich sehe, habe ich Sie da völlig falsch eingeschätzt.«
Nun endlich lehnte sich Alessandro nach vorne, stützte die Ellbogen auf den Tisch und fragte mich mit
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