Julia
Büro des Sicherheitschefs auf den Corso oder auf eine andere Seite hinausging.
Heute aber war das anders. Heute war der Tag, an dem ich den Stier bei den Hörnern packen und so richtig schütteln wollte. Entschlossen steuerte ich auf die gotische Eingangstür zu und stellte beim Hineingehen sicher, dass die Überwachungskamera eine schöne Aufnahme von meiner neuen Geisteshaltung einfing.
Für ein Gebäude, das von Feindesfamilien - unter anderem meiner eigenen - niedergebrannt, von einem wütenden Mob in seine Einzelteile zerlegt und von seinen Besitzern mehrmals wieder aufgebaut worden war, um dann irgendwann von der Regierung konfisziert und im Jahre 1472 als Finanzbetrieb wiedergeboren zu werden, so dass es heute als das älteste noch existierende Bankgebäude der Welt gilt, war der Palazzo Salimbeni ein bemerkenswert friedlicher Ort. Bei der Gestaltung der Innenräume hatte man mittelalterliche und moderne Elemente so kombiniert, dass beides gut zur Geltung kam. Während ich auf den Empfangsbereich zusteuerte, hatte ich das Gefühl, dass sich die große zeitliche Lücke, die zwischen Vergangenheit und Gegenwart klaffte, um mich herum ganz nahtlos schloss.
Der Herr am Empfang telefonierte gerade, hielt aber sofort eine Hand über den Hörer, um mich - erst auf Italienisch und dann auf Englisch - zu fragen, zu wem ich denn wolle. Als ich ihm erklärte, ich sei eine Freundin des Sicherheitschefs und hätte eine dringende Angelegenheit mit ihm zu besprechen, lächelte mich der Mann an und erklärte, das, wonach ich suche, sei im Untergeschoss zu finden.
Angenehm überrascht, dass er mich ohne Begleitung oder Ankündigung durchließ, marschierte ich betont lässig die Treppe hinunter, obwohl in meiner Brust eine ganze Tanzgruppe aus kleinen Mäusen herumhüpfte. Während meiner wilden Flucht vor dem Kerl im Trainingsanzug hatten sie sich seltsamerweise ganz ruhig verhalten, doch nun gaben sie ihr Bestes - und das nur, weil ich gleich Alessandro treffen würde.
Nach unserem abrupten Abschied am Vorabend hatte ich ehrlich gesagt nicht den Wunsch verspürt, ihn jemals wiederzusehen. Was bestimmt auf Gegenseitigkeit beruhte. Trotzdem war ich nun hier, schnurstracks unterwegs in sein Hauptquartier, und hatte dafür keinen anderen Beweggrund als puren Instinkt. Janice sagte immer, Instinkt sei nichts anderes als Vernunft unter Zeitdruck. Was den Teil mit der Vernunft betraf, war ich mir nicht so sicher. Meine Vernunft sagte mir, dass Alessandro und die Salimbenis höchstwahrscheinlich bei all den schlimmen Dingen, die mir gerade passierten, die Finger im Spiel hatten, wohingegen mein Instinkt mir sagte, dass ich mich auf den Mann verlassen konnte - und sei es nur insofern, als er mir bestimmt wieder zu verstehen geben würde, wie unsympathisch ich ihm war.
Während ich in den Keller hinunterstieg, wurde die Luft merklich kühler, und Spuren des ursprünglichen Gebäudes kamen zum Vorschein. Die Mauern, die mich hier unten umgaben, waren rau und alt. Damals im Mittelalter hatte dieses Fundament einen hohen Turm getragen, vielleicht sogar von der Höhe des Mangia-Turms auf dem Campo. Die ganze Stadt war voll gewesen von diesen Turmbauten, die in unruhigen Zeiten als Festungen dienten.
Am Fuß der Treppe zweigte ein schmaler Gang in die Dunkelheit ab, und die eisenverstärkten Türen zu beiden Seiten gaben einem das Gefühl, sich in einer Folterkammer zu befinden. Ich befürchtete schon, falsch abgebogen zu sein, als ich plötzlich durch eine halb offenstehende Tür mehrere Stimmen laut aufschreien und dann in Jubel ausbrechen hörte.
Nervös näherte ich mich der Tür. Egal, ob ich Alessandro hier unten antraf oder nicht, ich würde auf jeden Fall eine Menge Erklärungen abgeben müssen, und Logik war noch nie meine Stärke gewesen. Als ich vorsichtig hineinspähte, sah ich einen Tisch voller Metallteile und halb verspeister Sandwiches, eine Wand voller Gewehre, und drei Männer in T-Shirts und Uniformhosen, die um einen kleinen Fernseher herumstanden. Einer von ihnen war Alessandro. Erst dachte ich, sie würden Aufnahmen betrachten, die ihnen eine der Überwachungskameras im Gebäude lieferte, doch als sie plötzlich alle aufstöhnten und sich an den Kopf fassten, begriff ich, dass sie sich ein Fußballspiel ansahen.
Nachdem auf mein erstes Klopfen niemand reagierte, trat ich einen Schritt in den Raum hinein - nur einen ganz kleinen Schritt - und räusperte mich. Nun wandte Alessandro endlich den Kopf, um zu
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