Julians süßes Blut (German Edition)
weiß es – sehe es in seinen Augen. Habe ich mich auf den Teufel eingelassen? Ach, was rede ich.
Ich brenne vor Sehnsucht nach ihm. Jeden Abend warte ich, jede Nacht hoffe ich, daß er mich in meinem Traum besucht. Kommt er nicht, ist die Enttäuschung schmerzhaft. Was ist bloß los mit mir? Ich erkenne mich selbst nicht wieder. Ich ... begehre ihn. Seine Stärke, seine Arroganz – all das wirkt unwiderstehlich. Noch niemals habe ich etwas Ähnliches gefühlt.
Alles ist so anders – es ist so spannend ihn zu kennen. Nicht einmal Monica habe ich ihn vorgestellt. Ich möchte ihn nicht teilen. – ? – Spiele ich mit dem Feuer? Unterschätze ich die Gefahr?
Wieder fuhr Julian sich über die Augen. Er war unglaublich müde, hatte er doch seit dem Tod seiner Mutter nicht mehr schlafen können. Sie hatten ihn ruhigstellen müssen, über Nacht, damit sein Körper sich wenigstens ein bißchen erholen konnte. Und damit er nicht ständig durch die kalten Flure des Krankenhauses wanderte. Ruhelos und schweigend. Einen Moment überkam ihn eine erdrückende Angst. Wie sollte das alles weitergehen? Er war noch nicht volljährig, durfte noch nicht allein wohnen. Monica würde ihn bei sich aufnehmen, denn er kannte keine Verwandten. Nicht einmal seinen Vater. Alle Fragen bezüglich seines Vaters hatte seine Mutter abgeblockt. Nur seinen Vornamen hatte er ihr entlocken können: Brian.
Such niemals nach ihm , hatte sie einmal gesagt. Das ist sehr gefährlich. Doch erläutern wollte sie es nicht. Und was meinte sie bloß damit, daß dieser Alex kein Mensch ist? Hatte er etwas mit seinem Vater zu tun? Fragen über Fragen entstanden in seinem Gehirn, ließen ihm keine Ruhe.
Was passiert nur mit mir? Worauf habe ich mich eingelassen? Ich habe mich einem Fremden hingegeben, vor den Augen des Mannes, den ich... ja, was eigentlich? Ich liebe Alex nicht. Ich vergöttere ihn. Jede Faser meines Körpers verlangt nach ihm, doch mein Herz sagt nein. Anders ist es bei Brian. Er ist so sanft, so weich. Bei ihm fühle ich mich geborgen, keine Gefahr. Ich habe Angst mich zu verlieben. Aber wäre es denn so falsch? Habe ich nicht die Chance, ein normales Leben mit Brian zu führen? Ich kann es mir doch zumindest erträumen, oder? Bleibt für mich noch die Frage, warum Brian jemanden wie Alex kennt; was zwischen ihnen ist. Brian ist anders, als andere Männer. Ich weiß nicht, aber ich glaube, daß ich seine erste Frau war.
Ich fühle, wie sich ein Ring um meine Brust schließt, und das Atmen mir schwer fällt. Ich würde am liebsten schreien, um alles hinauszulassen, aber das würde ja auch nichts bringen. So gern würde ich dieses Geheimnis mit jemandem teilen, aber daran ist gar nicht zu denken.
Selbst mit Monica kann ich nicht so offen sprechen.
Aber vielleicht kann ich ihr eines Tages Brian vorstellen – als den Mann, den ich kennenlernte, als ich mich so merkwürdig verhalten habe.
Mit brennender Intensität flogen Julians Augen über die handgeschriebenen Zeilen. Sie machten seine Mutter für den Augenblick lebendiger, als er sie in Erinnerung hatte. Hatte er sie jemals richtig gekannt? Oder hatte er einfach nur die »Mutter« Virginia kennengelernt, die ihre ungezügelte Seite stets verborgen hielt? Seine Augen begannen zu tränen. Er war müde, erschöpft. Seine Sinne waren erfüllt von den Gedanken seiner Mutter und doch leer. Die Zeilen verschwammen vor seinen Augen.
Plötzlich schlaff, legte Julian das schmale Büchlein auf den dunklen Wohnzimmertisch. Mit der gesunden Hand rieb er wieder über seine Augen und quälte sich langsam aus dem Sessel. Draußen war es bereits dunkel geworden. Das Licht der Straßenlaterne schien trübe durch die Fenster ins Wohnzimmer. Eine ungewohnte Angst beschlich Julian. Jetzt war er allein.
Erschrocken über diese plötzliche Erkenntnis, humpelte er zum nächsten Lichtschalter. Das helle Licht, das die Wohnung durchflutete, beruhigte ihn etwas. Er sah auf seine Uhr, es war bereits halb elf. Doch er mußte Monica noch anrufen, denn er hatte jetzt eine wichtige Aufgabe. Eine Aufgabe, die ihn drängte. Die er unbedingt erfüllen mußte. Für sich selbst. Gewissermaßen für sein Seelenheil. Denn was er jetzt – vor allem anderen – brauchte, war, daß er sein inneres Gleichgewicht wiederfand. Und das war – bis auf weiteres – völlig aus dem Lot geraten.
Müde, mit brennenden Augen, wählte Julian Monicas Nummer.
»Ja?« Ihre Stimme klang rauh.
»Hallo, hier ist
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