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Julie oder Die neue Heloise

Titel: Julie oder Die neue Heloise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Jacques Rousseau
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aus. Wollen Sie den Schaden heilen, so müssen Sie ihm an die Wurzel gehen. Soll irgend eine Reform in den öffentlichen Sitten vorgenommen werden, so muß man mit den häuslichen Sitten den Anfang machen, und da hängt Alles von den Vätern und Müttern ab. Aber auf diesen Punkt arbeiten die Moralprediger nicht hin; euere feigen Schriftsteller kanzeln immer nur Die ab, die unterdrückt sind und die Büchermoral wird ewig fruchtlos sein, weil sie in nichts besteht als in der Kunst, dem Stärkeren zu hofiren.
    N. Knechtisch allerdings ist die Ihrige nicht. Aber geht sie nicht nach der entgegengesetzten Seite zu weit? Ist es genug, daß sie den Schaden bei der Wurzel fasse? Fürchten Sie nicht, daß sie selbst Schaden thue?
    R. Schaden? Wem denn? Soll man in Zeiten der Pest und der Ansteckung, wann Alles von Kindheit auf mit dem Uebel befallen ist, den Absatz der den Kranken dienlichen Arzueien verbieten, weil ihr Mißbrauch den Gesunden schaden könnte? Mein Herr! wir denken so verschieden über diesen Punkt, daß ich fest überzeugt bin, wenn sich nur einige Verbreitung dieser Briefe hoffen ließe, so würden sie mehr Gutes wirken als manches bessere Buch.
    N. Es ist wahr, Sie haben eine vortreffliche Predigerin. Ich bin nur froh, daß ich Sie mit den Frauen wieder ausgesöhnt sehe, denn es that mir leid, daß Sie ihnen verwehren wollten, uns den Text zu lesen
[In dem Briefe an M. d'Alembert (über dessen Artikel Genève in der Encyclopèdie, worin er die Gründung eines Theaters in Genf anempfohlen hatte; s. „Bekenntnisse" Th. 7, S. 12) kommt R., nachdem er mancherlei erwähnt hatte, worin die Bühne ein böses Beispiel für das Leben aufstelle, auch auf die Intriguenstücke, und sagt bei dieser Gelegenheit: „Die Liebe ist das Reich der Frauen, Sie sind darin nothwendig die Gesetzgeberinnen, weil ihnen, nach der Ordnung der Natur, der Widerstand eignet, der nur auf Kosten ihrer Freiheit von den Männern überwunden werden kann. Eine natürliche Folge dieser Art Stücke ist daher, daß sie die Herrschaft des andern Geschlechtes ausdehnt, Frauen und junge Mädchen zu Lehrern des Publikums macht und ihnen denselben Einfluß auf die Zuschauer verschafft, welche sie auf ihre Liebhaber ausüben." Auf diese Stelle ist oben im Texte angespielt. D. Ueb.]
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    R. Sie schieben mir die Sache in's Gewissen; da muß ich still sein. Ich bin weder so thöricht, noch so weise, allezeit Recht zu haben. Lassen wir diesen Knochen der Kritik zum Abnagen!
    N. Recht gern, damit es ihr nicht fehle! Aber hätte man wegen alles Uebrigen jedem Anderen nichts vorzuwerfen, sagen Sie, wie kann man dem unerbittlichen Verurtheiler des Schauspiels die verliebten Auftritte und die leidenschaftlichen Gefühle durchgehen lassen, von denen diese Sammlung strotzt? Zeigen Sie mir doch in irgend einem Theaterstück eine Scene, welche denen im Gebüsch von Clarens
[Sprich: Klarang.]
und im Schlafcabinetgleich kommt. Sehen Sie Ihren Brief über die Schauspiele wieder an und dann diese Sammlung .... Sie müssen consequent sein oder Ihre Ansichten aufgeben .... was soll man denken?
    R. Der Kritiker, mein Herr, soll selber consequent sein, und nicht richten, ehe er untersucht hat. Sehen Sie die Schrift, die Sie erwähnen, genauer wieder an, sehen Sie auch die Vorrede zum „Narcisse" an, Sie werden darin die Antwort auf den Vorwurf der Inconsequenz finden, den Sie mir machen. Jene Oberflächlichen, die mich ihrer wegen des
Devin du village
ziehen, werden hier ohne Zweifel noch weit mehr Ursache dazu finden. Jene werden thun, was ihres Amtes ist. Aber Sie ....
    N. Ich erinnere mich zweier Stellen
[In der Vorrede zum „Narcisse“ wirkt R. die Frage auf: wenn einmal ein Volk bis zu einem gewissen Punkte verderbt ist, mögen nun die Wissenschaften dazu beigetragen haben oder nicht, muß man diese dann verbannen oder es vor ihnen behüten, um es zu bessern oder um zu verhindern, daß es noch schlechter werde? und er antwortet: Nein. Denn die Künste und Wissenschaften könnten, nachdem das Uebel einmal vorhanden ist, als Arzuei dienen, wenigstens, wenn sie die Menschen nicht gut machen können, sie doch durch Zerstreuung und angenehme Beschäftigung von dem Schlechten abziehen. Ebenso spricht sich R. in dem Briefe an d'Alembert aus. D. Ueb.]
.... Sie denken gering von Ihren Zeitgenossen.
    R. Mein Herr, ich bin ja doch auch ihr Zeitgenoß. O, warum bin ich nicht zu einer Zeit geboren, wo ich diese Sammlung hätte in's Feuer werfen müssen!
    N. Sie übertreiben,

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