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Julie oder Die neue Heloise

Titel: Julie oder Die neue Heloise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Jacques Rousseau
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Gardine, ebenso gemalt und fast immer durchlöchert oder zerfetzt, was dann Schlünde in der Erde oder Löcher im Himmel, je nachdem es trifft, zur Schau stellt. Jeder, der hinter der Gardine entlang geht und sie zufällig berührt, bringt eine Erschütterung hervor, die von einem Erdbeben herzurühren scheint und sehr komisch anzusehen ist. Der Himmel ist durch etliche blaue Lappen vorgestellt, welche an Stäben oder Schnüren schweben, wie zum Trocknen aufgehängte Wäsche, Als Sonne (denn sie kommt manchmal vor) dient eine Kerze hinter einem Rahmen. Die Wagen der Götter und Göttinnen bestehen aus vier aneinander gefügten Wänden, die in langen Seilen schweben wie eine Schaukel; zwischen den Seitenwänden geht ein Brett querüber, auf welchem die Gottheit sitzt, und vorn hängt ein Stück bekleckstes Sacktuch, das zu diesem kostbaren Wagen als Wolke figurirt. Im Grunde der Maschine bemerkt man eine Beleuchtung von zwei bis drei qualmenden und schlecht geputzten Lichtern, welche die Person, während sie sich auf ihrer Schaukel hin- und herschwankend zerarbeitet und heiser schreit, nach Herzenslust einräuchern: ein Weihrauch ganz eines Gottes würdig.
    Da die Götterwagen das wichtigste Stück der Opernmaschinerie sind, so können Sie von ihnen einen Schluß auf das Uebrige machen. Das bewegte Meer ist aus langen kantigen Walzen zusammengesetzt, die man auf gleichlaufende Spindeln gesteckt hat und von kleinen Jungen umdrehen läßt. Der Donner ist ein schwerer Wagen, den man auf dem oberen Boden hin- und herfährt und der nicht das schlechteste Instrument bei der ganzen rührenden Musik abgiebt. Die Blitze entstehen durch etwas Colophonium, das man durch ein Licht bläst; der Wetterstrahl ist eine Petarde an der Spitze einer Rakete.
    Die Bühne ist mit kleinen viereckigen Fallthüren versehen, an deren Aufgehen man seiner Zeit bemerkt, daß die bösen Geister aus dem Keller heraufsteigen werden. Wenn sie sich in die Lüfte erheben sollen, so werden ihnen geschickt kleine Dämonen aus braunem Zeuge mit Stroh ausgestopft untergeschoben oder manchmal wirkliche Schornsteinfeger, die an Stricken in der Luft baumeln, bis sie sich majestätisch in die vorerwähnten blauen Lappen verlieren. Wirklich tragisch aber ist dabei, daß die höllischen Geister oder unsterblichen Götter, wenn die Schnüre schlecht geleitet werden oder reißen, herunterfallen, sich die Glieder entzweibrechen und manchmal das Genick. Rechnen Sie zu dem Allen die Ungeheuer hinzu, die manche Scenen sehr schauerlich machen, als zum Exempel Drachen, Eidechsen, Krokodile, riesige Kröten, die mit dräuenden Geberden auf dem Theater herumspazieren und
    uns in der Oper ein Bild von den Versuchungen des heiligen Antonius vor Augen stellen. In jeder solchen Figur steckt ein Tölpel von Savoyarden, der nicht Witz genug hat, eine Bestie zu spielen.
    Da haben Sie, Cousinchen, so ziemlich die ganze Herrlichkeit der Opernausstattung, so viel ich aus dem Parterre mit Hülfe meiner Lorgnette habe wahrnehmen können; denn Sie müssen sich nur nicht vorstellen, daß die Hülfsmittel sehr versteckt sind und daß eine überraschende Wirkung hervorgebracht wird; ich sage Ihnen hierin nur, was ich mit eigenen Augen gesehen habe und was jeder unbefangene Zuschauer ebenso gut wahrnehmen kann. Dennoch wird versichert, daß eine unglaubliche Menge von Maschinen thätig ist, um das Alles in Bewegung zu setzen; man hat sich mehrmals erboten, sie mir zu zeigen, aber ich bin nie neugierig gewesen, zu sehen, wie man kleine Dinge mit großen Anstrengungen zu Stande bringt.
    Die Menge von Leuten, welche zu dem Dienste der Oper verwendet werden, ist unglaublich. Das Orchester und die Chöre bestehen zusammen aus beinahe hundert Personen: man hat eine Masse von Tänzern; alle Rollen sind doppelt und dreifach besetzt
[In Italien weiß man nichts von
Doppelbesetzung, das Publikum würde so etwas nicht dulden; auch ist das Theater nicht so theuer. Man will so viel Geld nicht wegwerfen, um schlecht bedient zu werden.]
, d. h. Es sind immer ein oder zwei untergeordnete Schauspieler in Bereitschaft, den Hauptschauspieler nöthigenfalls zu vertreten, und werden dafür bezahlt, daß sie nichts thun, bis es einmal Jenem gefällt, Nichts zu thun, was aber niemals lange auf sich warten läßt. Nach einigen Vorstellungen beehren die Hauptschauspieler, welche wichtige Personen sind, das Publikum nicht mehr mit ihrer Erscheinung, sondern überlassen ihren Platz ihren Substituten oder den

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