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Julie oder Die neue Heloise

Titel: Julie oder Die neue Heloise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Jacques Rousseau
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keinen Schatten und im Hause muß man einheizen. Mein Vater seinerseits kann mitten unter seinen Bauereien doch nicht umhin zu fühlen, daß man die Zeitung hier später hat als in der Stadt. So sehnt sich im Grunde Alles weg von hier, und in vier oder fünf Tagen, hoffe ich, wirst du mich umarmen. Was mich beunruhigt, ist nur, daß vier oder fünf Tage ich weiß nicht wie viele Stunden haben, von denen mehre dem Philosophen gewidmet sind. Dem Philosophen, hörst du, Cousine? Denke daran, daß es nur für Den alle diese Stunden schlägt.
    Erröthe mir hierbei nicht und schlag' die Augen nieder. Eine feierliche Miene annehmen, das ist dir unmöglich; das kann deinen Zügen nicht stehen. Du weißt ja, ich kann nicht weinen ohne zu lachen, und ich habe darum doch nicht weniger Gefühl; es schmerzt mich nicht weniger, daß ich von dir getrennt bin; und ich weine d'rum nicht weniger um die gute Chaillot. Wie danke ich dir, daß du mir helfen willst, für ihre Familie sorgen, ich werde sie so lange ich lebe nicht verlassen; aber du würdest nicht du selbst sein, wenn du eine Gelegenheit vorbeiließest, Gutes zu thun. Ich gestehe ein, daß die gute Mie
[Mie
— rufen die Kinder ihre Bonnen. (Wohl aus amie, Freundin, gekürzt?) D. Uebers.
]
redselig war, sich in ihren vertraulichen Aeußerungen nicht in Acht nahm, nicht bedachte, was für junge Mädchen nicht taugt, denn sie plauderte gar zu gern in ihren alten Tagen. Auch beweine ich sie nicht wegen ihrer geistigen Vorzüge, obgleich sie unter schlechten Eigenschaften doch auch sehr gute hatte. Das, was ich an ihr verloren habe, ist ihr gutes Herz, ihre treue Anhänglichkeit, wodurch sie mir zu einer zärtlichen Mutter und zu einer vertrauten Schwester geworden war. Sie war mir statt meiner ganzen Familie. Meine Mutter habe ich kaum gekannt; mein Vater liebt mich, so sehr er lieben kann: deinen liebenswürdigen Bruder haben wir verloren, die meinigen sehe ich fast niemals. So bin ich wie eine verlassene Waise. Mein Kind, ich habe nun nichts mehr als dich; denn deine gute Mutter ist du. Du hast aber Recht: du bleibst mir ja. Ich weinte; ich war närrisch; was brauchte ich zu weinen?
    N. S. Damit nichts passire, addressire ich diesen Brief an unseren Lehrer; er wird so sicherer in deine Hände kommen.
     
Achter Brief.
An Julie.
    [Man wird bemerken, daß hier eine Lücke ist; man wird dergleichen weiterhin noch öfter finden. Mehre Briefe sind verloren gegangen, andere vernichtet worden, andere beschnitten; aber es fehlt nichts Wesentliches, das man sich nicht mit Hülfe des Erhaltenen leicht hinzudenken könnte.]
    Wie wunderlich, schöne Julie, sind der Liebe Launen! Mein Herz hat mehr, als es je hoffen durfte, und es ist doch nicht zufrieden. Sie lieben mich, Sie sagen es mir, und ich seufze! Dieses ungerechte Herz erkühnt sich noch zu wünschen, da nichts mehr zu wünschen ist; es straft mich mit seinen Phantasien und peinigt mich im Schoße meines Glückes. Glauben Sie nicht, daß ich die Gebote, die mir auferlegt sind, vergessen, oder den Willen verloren habe, sie zu halten; nein! aber ein geheimer Verdruß quält mich, da ich sehe, daß nur mir diese Gesetze schwer fallen, daß Sie, die Sie sich für so schwach ausgeben, jetzt so stark sind und daß ich so wenige Kämpfe gegen mich selbst zu bestehen habe, weil Sie allen Fleiß anwenden, ihnen zuvorzukommen.
    Wie verändert Sie seit zwei Monaten sind! und doch hat sich nichts verändert außer Ihnen. Ihr Schmachten ist verschwunden; keine Rede mehr von Misgefühl und Abspannung; alle Grazien haben ihre Stelle wieder eingenommen; alle Ihre Reize haben sich neu belebt; die aufbrechende Rose ist nicht frischer; Ihre Munterkeit ist wieder da; Sie haben gute Einfälle für alle Welt; Sie scherzen selbst mit mir, ganz wie ehedem; und was mich mehr aufbringt als alles Uebrige, Sie schwören mir ewige Liebe mit so lachender Miene, als ob Sie die spaßhafteste Sache von der Welt vorbrächten.
    Sage, sage, Flattergeist! ist dies das Wesen einer heftigen Leidenschaft, die mit sich zu kämpfen hat? Und wenn Ihnen im Geringsten darum zu thun wäre, sich selbst zu besiegen, würde der Anstrengung nicht wenigstens die Fröhlichkeit weichen? O, wie viel liebenswürdiger waren Sie, als Sie weniger schön waren! Wie leid ist es mir um diese rührende Blässe, die dem Liebenden ein kostbares Unterpfand seines Glückesist! und wie verhaßt ist mir die unberufene Gesundheit, die Sie wieder gewonnen haben auf Kosten meiner Ruhe! Ja ,ich

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