Julie u Julia - 365 Tage, 524 Rezepte Und 1 Winzige Küche
andeutungsweise ein Gefühl von Leere beschlich - dagegen hilft Champagner immer.
Ich gehe wirklich fast nie ans Telefon. Diesmal dachte ich, es sei meine Mutter. »Julie! Herzlichen Glückwunsch!«
Sie war’s nicht. »Äh, danke.«
»Fertig mit dem Projekt, oder?«
»Nein, nicht ganz - erst morgen -«
»Huch! Na ja, Glückwunsch im Voraus.«
»Ähm -?«
»Oh, Entschuldigung! Ich heiße Nick. Ich bin Reporter hier in Santa Monica und habe gerade ein Interview mit Julia für unsere Zeitung gemacht.«
Ich musste mir wirklich eine Geheimnummer geben lassen.
»Ich würde gern Ihre Meinung zu einigen Fragen hören. Ich habe nämlich mit Julia über Sie gesprochen, und offen gestanden, sie war ziemlich ekelhaft. - Stör ich gerade?«
»Oh, nein, es geht schon.«
Als ich fünf Minuten später aufhängte, war ich wie benommen. Eric und Gwen schauten zu, wie Julia vorführte, wie man einer Tomate die Haut abbrennt; ich stellte mich kurz vor den Fernseher und schaute auch zu. Sie sah jung aus, doch sie musste damals schon mindestens 70 gewesen sein.
Julia nahm eine Lötlampe und schwang sie drohend, und Gwen lachte. Aus der Küche drang Entenduft.
»Wer war am Telefon, Baby?«
»Julia kann mich nicht ausstehen.«
»Wie bitte?«
Ich setzte mich neben Eric aufs Sofa. Gwen und Sally starrten mich an, der Fernseher war vergessen. »Es war ein Reporter aus Kalifornien. Er hat gerade ein Interview mit Julia gemacht. Er hat mit ihr über mich geredet. Sie kann mich nicht ausstehen.« Ich kicherte tonlos, wie immer in solchen Situationen. »Sie hält mich für nicht respektabel oder nicht seriös oder so was.«
Sally schnaubte gekränkt. »Das ist unfair.«
»Findet ihr, ich bin nicht seriös? Nicht seriös ?« Ich lachte wieder, aber diesmal kitzelte es mich in der Nase, und ich registrierte argwöhnisch ein Brennen hinter den Augen.
»Oh, bitte.« Gwen hielt mir die Champagnerflasche hin, und ich hörte auf, das Glas zwischen meinen Handflächen hin und her zu drehen, so dass sie einschenken konnte. »Scheiß auf sie.«
Eric legte mir den Arm um die Schulter. »Wie alt ist sie, 90?«
»91.« Ich schniefte.
»Siehst du. Wahrscheinlich hat sie keine blasse Ahnung, was ein Blog überhaupt ist.«
»Ich verstehe nicht, was sie daran nicht ausstehen kann.« Sally klang fast genauso gekränkt wie ich. »Stimmt was nicht mit ihr?«
»Ich weiß nicht. Vielleicht denkt sie, ich ziehe irgendeinen Vorteil daraus oder ich bin - ich bin nicht -« Ich wurde von einem plötzlichen Tränenausbruch überrascht. »Ich dachte, ich war - Es tut mir Leid, wenn ich -«
Und dann, urplötzlich, heulte ich los. Alle waren für den Bruchteil einer Sekunde still vor Entsetzen, dann zog mich Eric an seine Brust, und Gwen und Sally schlugen links und rechts von mir aufgeregt mit den Flügeln, wie es gute Freundinnen eben tun. Während sie wie Glucken um mich hockten, weinte ich, als wolle mir das Herz brechen, den Kopf zurückgelegt, so dass mir die Tränen in die Ohren rannen. Ächzend holte ich zwischen meinen Schluchzern Luft, bis ich nach einer Weile nicht mehr nur darüber weinte, was Julia von mir hielt oder nicht, auch nicht mehr über krümeligen Teig oder nicht gelierende Sülze oder einen unbefriedigenden Job, ich heulte vielmehr einfach so.
Ich schluchzte und schluchzte, bis sich das Schluchzen in einen guten Schrei verwandelte, den besten Schrei aller Zeiten, obwohl ich im letzten Jahr mehr als genug geschrien hatte. Ich rotzte Erics Hemd voll, Sally nahm mir das Champagnerglas weg, damit ich es nicht zerbrach, und Gwen hielt meine Hand, und alles fühlte sich so gut an, dass ich zu lachen begann, ich schluchzte und kicherte, und alles das sehr laut.
In der Küche piepste der Wecker, es war Zeit, die Pâté de Canard en Croûte rauszunehmen. »Ich hol sie.« Eric überließ mich den Mädchen und ging in die Küche.
»Was hast du zu dem Reporter gesagt?«, fragte Sally und gab mir das Champagnerglas zurück. Offenbar entnahm sie meinem Gekicher unter Tränen, dass sie es mir jetzt wieder anvertrauen konnte. Ich hob das Glas an die Lippen.
»Ich hab gesagt: ›Scheiß auf sie.‹« Manchmal muss ich echt über mich selber lachen. Sally konnte dem rausgeprusteten Champagner gerade noch ausweichen, aber Gwen bekam einiges davon ab.
»Nein, das gibt’s nicht!«, schrie Sally.
»Nein, natürlich nicht. Aber ich hätte es sagen sollen.«
Der Piepton aus der Küche hatte aufgehört. »Hey, Julie?«
»Ja?« Ich verdrehte die
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