Julie u Julia - 365 Tage, 524 Rezepte Und 1 Winzige Küche
blätterte es durch, sah Häkchen und Flecken und feucht gewordene, gewellte Seiten (manche klebten von wer weiß was zusammen), bis ich zu Pâté de Canard en Croûte kam - entbeinte, gefüllte Ente im Teigmantel.
Ich lasse Ihnen jetzt einen Augenblick Zeit, damit Sie darüber nachdenken können. Wenn Sie ein Exemplar von Mastering the Art of French Cooking besitzen, schlagen Sie Seite 571 auf. Lesen Sie das Rezept durch, alle fünf Seiten. Die Zeichnungen, es sind acht, sind besonders aufschlussreich. Furchteinflößend, aber aufschlussreich.
Okay, Julie, du kannst das.
» Hast du was gesagt, Honey? Alles klar?« Armer Eric. Man stelle sich vor, wie das sein muss, da draußen zu sitzen und auf das erste unvermeidliche, verzweifelte Gewimmer zu warten und zu wissen, wohin das führt.
»Hm? Nein, nichts - mir geht’s gut.«
Die Messerschublade glitt leise auf ihren Schienen heraus. Ich lugte hinein wie ein böswilliger Zahnarzt, der seine Instrumente prüft, dann holte ich das japanische Entbeinmesser raus, das ich extra für diesen Anlass gekauft hatte. Ich hatte es noch nie benutzt. Die Schneide schimmerte im Halbdunkel der Küche (denn die Neonröhre hatte am vorletzten Tag des Projekts den Dienst aufgekündigt) und ließ ein winziges Klick hören, als ich es neben das Schneidbrett legte. Dann holte ich die Ente aus dem Kühlschrank, wickelte sie aus und wusch sie über der Spüle - natürlich nachdem ich mich vergewissert hatte, dass diese weder schmutziges Geschirr noch Maden noch Clorox beherbergte. Ich legte den Hals und das überflüssige Fett beiseite, auch die Leber, den Muskelmagen wie zwei Herzen und das Herz wie ein halber Muskelmagen. Ich trocknete den Vogel mit Küchenpapier ab und legte ihn mit der Brust nach unten auf das Brett. Dann nahm ich das Messer in die linke Hand und beugte den Kopf über das Buch.
Sie denken vielleicht, Geflügel zu entbeinen, sei eine undurchführbare Heldentat, wenn Sie noch nie zugeschaut oder auf die Idee gekommen sind, es selbst zu versuchen.
Ein weiterer tiefer, reinigender Atemzug.
Beim ersten Mal dauert die Prozedur vielleicht 45 Minuten, weil Sie noch zaghaft sind, aber beim zweiten oder dritten Versuch brauchen Sie höchstens 20 Minuten.
Keine Angst, Julie, keine Angst.
Wichtig ist, dass die Messerschneide immer zum Knochen gerichtet ist, nie zum Fleisch, dann können Sie die Haut nicht verletzen.
Ich drehte meinen Hals hin und her, bis es knackte. »Honey? Geht’s dir auch bestimmt gut?« Erics besorgte Stimme drang wie aus weiter Ferne zu mir.
»Hm? Ja, ja - alles in Ordnung.«
Das Messer schwebte über dem bleichen, gänsehäutigen Entenfleisch.
Als Erstes schneiden sie einen tiefen Schlitz in den Rücken des Vogels, vom Hals bis zum Sterz.
Ich setzte die erste Kerbe, einen tiefen Schnitt am Rückgrat entlang. Ganz langsam begann ich das Fleisch auf einer Seite vom Knochen zu schaben. Am Flügel und am Schenkel durchtrennte ich die Knochen am Gelenk und ließ den Schenkelknochen und die beiden äußeren Flügelknochen an der Haut hängen, so wie Julia es vorschreibt. Dann schabte ich mich am Brustbein entlang wieder nach oben. Das japanische Entbeinmesser fraß sich mit furchterregender Präzision durch das Fleisch.
An dieser Stelle müssen Sie aufpassen, hier ist die Haut dünn und wird leicht aufgeschlitzt.
Ich verlangsamte meinen Atem, als ginge ich in den Winterschlaf. Ich zwang mich zu langsamen Bewegungen. An dem gefurchten Brustbein angekommen, hörte ich auf und vollzog auf der linken Seite die gleiche Prozedur.
Sie werden sich fragen, wie dies jemals zu einem guten Ende führen soll.
»Hast du was gesagt, Liebes?«
» Was?« Es war immer noch ziemlich heiß in der Küche. Ich wischte mir mit dem Handrücken über die feuchte Stirn, bevor ich mit der Messerspitze die zerbrechliche Nahtstelle von Knorpel und Haut am Brustbein berührte.
»Nichts. Entschuldigung.«
Noch ein vorsichtiger Schnitt, und ich war fertig.
Oh.
Das war ja ein Kinderspiel !
Tags zuvor hatte ich die Pâtéfüllung für die Ente gemacht - einfach Kalbs- und Schweinehackfleisch, vermischt mit gehacktem Schweinespeck, klein geschnittene Zwiebeln, in Butter sautiert und mit Madeira gelöscht, Eier, Salz, Pfeffer, Piment, Thymian und eine zerdrückte Knoblauchzehe. Kaum der Rede wert in diesem späten Stadium des Unternehmens. Ich formte die Masse zu einem Kloß und schob ihn in die Entenhülle, die
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