Julie u Julia - 365 Tage, 524 Rezepte Und 1 Winzige Küche
ausgebreitet auf dem Schneidbrett lag. Jetzt musste ich sie nur noch zunähen.
Beim Einkauf des glitzernden, tödlichen japanischen Entbeinmessers hatte ich gleich ein paar »Geflügelnadeln« mitgenommen, das klingt doch, als sei dies genau das Richtige, um Geflügel zuzunähen, finden Sie nicht? Garn war auch dabei. Dennoch war ich ein wenig beunruhigt. Denn diese Geflügelnadeln mündeten an ihrem Hinterteil nicht etwa in einer Öse, sondern kringelten sich zu einem Ring, im Durchmesser vielleicht halb so groß wie ein Zehncentstück, und dieser Schwanz passte so gar nicht zum Nadelschaft. (Eigentlich sahen sie genauso aus wie die Metalldinger, die vor Jahren immer bei uns in der Küche rumlagen, so genannte Schaschlikspieße. Sie gingen dauernd verloren, weil sie so dünn waren, immer durch das Gitter des Trockengestells rutschten und in den stinkigen Dreck auf der Abtropfwanne fielen, und dann wollte man sie auch nicht mehr hernehmen. Wie sollte ich mit so etwas eine Ente zunähen?
Ich habe noch nie im Leben gehäkelt, aber meiner Oma dabei zugesehen, und ich glaube, was ich jetzt zu betreiben versuchte, hatte eine gewisse Ähnlichkeit damit. Ich schlang das Garn mehrmals durch die »Öse« des Schaschlikspießes, schob den Spieß oder Geflügelhaken oder was auch immer durch zwei Lagen Entenhaut, zog ihn hindurch, lockerte die Haut für den offenen Ring am Ende und versuchte, das Garn durch die Löcher in den beiden Hautlappen zu würgen, bevor es aus der Öffnung der Metallschleife rausrutschte.
Das funktionierte nicht besonders gut. Es führte vielmehr zu neuerlichen Obszönitäten, Schluchzern und Fausthieben auf Tischplatten.
Doch dann hatte mein Mann, der keineswegs ein Idiot ist, eine glänzende Idee. Eine Zeit lang trödelte er mit Sicherheitsnadeln rum - Eric ist ein Fan von Sicherheitsnadeln, er hat immer welche in der Brieftasche und behauptet, damit könne man hervorragend Miezen aufreißen -, dann kam er auf die eleganteste, einfachste Lösung: eine Nähnadel. Eine richtig riesengroße Nähnadel. Keine Ahnung, wo er die gefunden hatte oder warum wir überhaupt eine so große Nadel im Haus hatten, aber einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul. Es klappte fantastisch, viel zu leicht, um auch nur ein Wort darüber zu verlieren. Und das war gut so, denn nun musste ich mir nicht mit einem Schaschlikspieß beziehungsweise einer Geflügelnadel die Augen ausstechen.
Als die Ente zugenäht war, umwickelte ich sie fest mit Küchengarn, bis sie wie ein Football aussah, dann briet ich sie von allen Seiten in Öl an. Während sie abkühlte, holte ich den Teig raus, und siehe da, er hatte sich wunderbarerweise von krümeliger Pampe in Teig verwandelt! Den ich ausrollen konnte! Dieser Tag wurde tatsächlich immer besser. (Das ist diesmal ernst gemeint.)
In kürzester Zeit hatte ich den angebratenen Entenkostümpâtéfootball in zwei ovale Teigplatten verpackt. Es ging so leicht, dass es fast peinlich war. Ich stach sogar aus den Teigresten kleine Kreise aus, drückte mit dem Messerrücken ein Fächermuster hinein und kaschierte damit die zusammengekniffenen Ränder der beiden Teigplatten. Aus weiteren Plätzchen bastelte ich in der Mitte eine kleine Blume, rund um das Loch, das ich in die Kruste geschnitten hatte, damit der Dampf entweichen konnte. Wissen Sie was? Ehe ich großmächtig versuche, Ihnen das alles zu beschreiben: Nehmen Sie Ihr Mastering the Art of French Cooking und schlagen Sie Seite 569 auf. Sehen Sie die Zeichnung? Genauso sah meine Pâté de Canard en Croûte aus.
»Eric Eric Eric! Schau!«
Er kam rein und war gebührend beeindruckt, wie auch anders? Es war schier unglaublich . »Und deine Julia-Parodie wird übrigens auch immer besser«, sagte er.
»Was?«
»Na ja, wie du da beim Entbeinen so vor dich hin gebrummelt hast. Das war wirklich gut. Du solltest damit auf Tournee gehen.«
Huch. Ich konnte mich nicht erinnern, etwas gesagt zu haben.
Auch wenn das Ende sich lange und langsam nähert, heißt das nicht, dass es nicht versteht, sich von hinten anzuschleichen.
Gwen und Sally kamen, um mit uns den vorletzten Tag zu feiern. Wir schoben eine DVD mit Julias »Greatest Hits« in den Player und warfen ab und zu einen Blick drauf, während wir auf die Pâté de Canard en Croûte warteten, dazu aßen wir Roquefortpasteten und tranken 65-Dollar-Champagner, der genauso schmeckte wie normaler Champagner, nur teurer. Alles war sehr feierlich und schön, und wenn mich
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