Julie u Julia - 365 Tage, 524 Rezepte Und 1 Winzige Küche
gelbe Arbeitsplatte legte. »Ich versteh nicht, was dich daran so interessiert. Du würdest nichts davon essen. Du isst ja nicht einmal einen Cheeseburger.«
»Käse gehört auf eine Pizza, nicht in einen Hamburger.«
Mom verdrehte die Augen und machte sich wieder ans Kochen. Ich stand hinter ihr, schaute ihr über die Schulter und wartete auf eine Kostprobe. Sie briet klein gehackten Speck in einer Pfanne. Als die Stückchen braun waren, nahm sie sie heraus und begann mit den Fleischwürfeln.
»Es riecht gut.«
»Ja, nicht wahr?« Jetzt nahm sie das angebräunte Fleisch heraus und warf die Karotten und Zwiebeln hinein. Ich aß nie Karotten, nie ! Aber der Geruch war nicht schlecht. Ich fragte mich, ob Jason Bateman ein Bœuf-Bourguignon -Typ war.
»Vielleicht magst du heute Abend ein bisschen davon probieren?«, sagte Mom.
»Ja, vielleicht.«
Natürlich probierte ich nichts davon, nicht an diesem Heiligabend - meine Abscheu vor Karotten, Champignons und Perlzwiebeln erwies sich als unüberwindlich, und wie die anderen Kinder im Haus entschied ich mich an diesem Abend stattdessen für Pizza mit Salami und anschließend Fudge. Es sollte achtzehn Jahre dauern, bis ich Julias Bœuf Bourguignon kennen lernte.
Bœuf Bourguignon ist gleichzeitig klassisch und bequem, beeindruckend und schlicht, ein perfektes Gericht, wenn man einen Ruf zu verteidigen hat. Julia Child kochte es bei ihrer ersten Fernsehshow. Meine Mutter kochte es, als sie Dads Chef beeindrucken wollte. Und achtzehn Jahre später kochte ich es für einen bestimmten, äußerst wichtigen Menschen, von dem ich hoffte, er würde mich aus meinem beschissenen Sekretärinnenjob reißen und mir zu unbändigem Erfolg und Glück verhelfen. Eigentlich kochte ich es zweimal für diesen wichtigen Menschen, aber davon später. Fürs Erste reicht die Feststellung, dass Bœuf Bourguignon wie Mayonnaise mehrere Anläufe benötigt (Mayonnaise braucht wesentlich mehr, finde ich!), aber wenn man es einmal drauf hat, kann man immer auf dieses köstliche Kunststück zurückgreifen. Wenn zum Beispiel Jason Bateman nach New York käme und sich zum Dinner bei mir einlüde, könnte ich ihm jetzt, dank Julia, ohne viel Hokuspokus einen köstlichen französischen Rindfleischeintopf zaubern.
Ich könnte das Bœuf Bourguignon für Jason Bateman sogar in Moms blauem Après-Ski-Pulli kochen. Ich habe ihn immer noch und hänge ganz unsinnig an ihm, ungeachtet der zwiefachen Erkenntnis, dass ich erstens nie die Art von Sylphe sein werde, die in einem dicken Kapuzenpulli gut aussieht, und dass zweitens dicke Kapuzenpullis spätestens seit Ende der Achtzigerjahre nicht mehr sexy sind. Aber bei Jason Bateman und bei Bœuf Bourguignon ist die alte Methode manchmal die beste.
Januar 1944
Arlington, Virginia
Nach all der Ungewissheit ging es jetzt endlich los. Sein Seesack war gepackt, der Wagen schon unterwegs, er zog in den Krieg. Bald würde es richtig zur Sache gehen, mit Lord Mountbatten in Neu Delhi. Es kam alles so, wie Jane Bartleman es vorhergesagt hatte. Aus der Kiste mit den Papieren, die sein Bruder Charlie mit nach Maine nehmen sollte, zog Paul vorsichtig das Tagebuch und setzte sich damit auf sein schmales, schon abgezogenes Bett. Er suchte nach den Seiten, auf denen er im letzten April die Weissagungen der Astrologin aufgezeichnet hatte.
»Eine neue Aufgabe wartet auf Sie. Sie fällt Ihnen wie eine reife Frucht in den Schoß.«
Man mochte über Astrologie sagen, was man wollte, es traf jedenfalls alles so ein, wie man ihm vorhergesagt hatte. Paul überflog die Seiten mit seiner kleinen, sauberen Handschrift.
»Türen öffnen sich - Türen, von deren Existenz Sie heute noch gar nichts ahnen.«
Als Paul aufstand, um das Tagebuch in die Kiste zurückzuzwängen, fiel ein Blatt Papier heraus und flatterte zu Boden. Er bückte sich, hob es auf und erkannte es sofort. Seltsam, dass ihm auf einmal die Augen brannten. Es war ein Brief von Edith, Jahre alt und vergilbt, geschrieben in den gemeinsamen Jahren in Cambridge.
»Liebster Paul, deine Gedichte rühren mich immer so, und dennoch wundert es mich...«
Sie war seit mehr als einem Jahr tot, aber schon ein flüchtiger Blick auf ihre Handschrift brachte ihm mit schrecklicher Klarheit die letzten Monate ins Gedächtnis zurück, diese langen, trostlosen Nachmittage, an denen er zusehen musste, wie seine Liebste vergebens nach Atem rang. Er las das Gedicht, und ganz tief drinnen spürte er, dass er jetzt, wo er das
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