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Julie u Julia - 365 Tage, 524 Rezepte Und 1 Winzige Küche

Titel: Julie u Julia - 365 Tage, 524 Rezepte Und 1 Winzige Küche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Powell
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verworfen, ich würde nie mehr unschuldig sein. Dabei gab es so viel zu erfahren! Das Buch steckte voller Zeug, das ich sonst nirgendwo erfuhr - nicht einmal von Isabel, die mehr als jede andere Elfjährige auf Erden über Sex wusste, obwohl sie erst zehn war. Das Unheil war bereits angerichtet, jetzt konnte ich mich auch gleich weiterbilden.
    Meist war Mom zu Hause, wenn ich aus der Schule kam, aber manchmal war sie auch weg und brachte meinen Bruder Heathcliff zum Baseballtraining oder zu einem Freund oder sie machte Besorgungen. An solchen Nachmittagen nahm ich mir einen Stapel Oreos-Kekse - ich hatte es mir zum festen Grundsatz gemacht (nun ja, zum ziemlich festen Grundsatz), pro Nachmittag nie mehr als zehn zu essen - und eine Papierserviette und verschwand im Bad meiner Eltern. Dort hing ein kleines Ölgemälde, eine Frau im Morgenmantel. Ich fand es ganz schön, obwohl ich froh war, dass es nur im Bad hing. Aber jetzt, wo ich das Buch aus Dads Schrank kannte, erschien mir das Bild wie eine Anspielung auf bisher ungeahnte Neigungen meiner Eltern.
    Wenn ich das Buch rausholte, roch es streng und intensiv nach Rauch und Heimlichkeit. Ich dachte, es riecht so, weil meine Eltern es beim Sex benützten und meine Mutter dabei womöglich ein Gummikorsett oder Stiefel trug oder so was. (Es dauerte Jahre, bis ich merkte, dass es nur nach Mundwasser und Haarspray roch und nach den Zigaretten, die Dad im Schrank versteckte, um ab und zu auf der Terrasse eine zu rauchen, wenn ich schon im Bett lag.) Ich setzte mich unter dem Ölgemälde auf den wuscheligen weißen Teppich und las, das Buch auf den aufgestützten Knien. Die Oreos stapelte ich auf der Papierserviette neben mir und aß eins nach dem anderen, indem ich sie auseinander drehte, das weiße Zeug herausleckte und die Kekse lutschte, bis sie in meinem Mund zu Schokoladebrei zergingen. Unterdessen informierte ich mich über cassolette und postillionage und gamahuche . Manche Einträge waren einfach nur eklig - das ganze Zeug über stinkende, unrasierte Achselhöhlen, aber bei manchen spürte ich ein gewisses Kribbeln. Und irgendwann hörte ich das Garagentor aufgehen. Dann sprang ich auf, stopfte das Buch an seinen Platz zurück, schloss die Schranktür, packte die restlichen Kekse und rannte in die Küche, so dass ich dort saß, wenn Mom an der Haustür nach mir rief, um ihr beim Reintragen der Einkäufe zu helfen.
    Wenn Freude am Sex mein erster Vorgeschmack auf die Sünde war, so war Mastering the Art of French Cooking der zweite.
    An Heiligabend machte Mom normalerweise Red Beans and Rice - sie kochte das dunkelrote Rinderchili und die Pintobohnen getrennt, denn ich aß nie Bohnen, nie! Doch diesmal kam Dads Chef zum Essen, und nach einiger Panik beschloss Mom, etwas Besonderes zu kochen. Als ich an jenem Morgen in die Küche kam, sah ich sie schon fleißig Gemüse schnibbeln. Auf dem Küchentisch lag ein altes Kochbuch, aufgeschlagen auf Seite 315. Bœuf Bourguignon .
    Obwohl dieses dicke, cremefarbene Buch in der Speisekammer stand, seit ich denken konnte, hatte ich noch nie gesehen, dass Mom es herausgeholt hätte. Genau genommen waren es zwei: Umfangreiche Bände mit dem Titel Mastering the Art of French Cooking und einem Einband mit Blumenmuster. Als ich Mom fragte, wie das Muster hieß, sagte sie: »Floh-du-lies.« Das Buch, das sie gerade benutzte, hatte rote Floh-du-lies, das andere in der Speisekammer blaue.
    Ich machte mir nicht besonders viel aus Kochbüchern, und diese hier waren keineswegs die aufregendsten in der Sammlung meiner Mutter. Da gefielen mir die Time-Life-Bücher schon besser, für jedes Land auf Erden zwei Bände, einer mit Spiralbindung für die Rezepte und der andere, größere, für die Geschichte und die schönen Fotos. (Das Wiener Kochbuch mit den turmhohen Sahnetorten hatte ich am liebsten. Ab und zu zeigte ich Mom eine und bat sie, so was zu backen, aber dann erklärte sie, da seien Kokosflocken drin oder Nüsse oder Marmelade, und ich aß weder Kokos noch Nüsse noch Marmelade - nie !) Aber obwohl sie nicht zu meinen Lieblingen zählten, gefielen mir die beiden Bände, die so stattlich zwischen Moms anderen zerfledderten Kochbüchern standen. Sie wirkten altmodisch, würdevoll und echt , wie teure alte Bücher in Antiquariaten.
    Ich hatte noch immer mein Nachthemd an. Darüber hatte ich Moms knallblauen, gestreiften Kapuzenpulli gezogen. Um die Weihnachtszeit tat ich gern so, als würde es schneien. In stillen Momenten, in der

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