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Julie u Julia - 365 Tage, 524 Rezepte Und 1 Winzige Küche

Titel: Julie u Julia - 365 Tage, 524 Rezepte Und 1 Winzige Küche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Powell
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also in einem »Loft« leben. Es war ein Schritt nach vorne, ein mutiges Experiment, der Traum jedes Städters. Und ich kochte immer noch - fröhlich, lustig, leicht. Diese französische Kocherei war ja ein Kinderspiel. Ich fragte mich, warum alle Welt immer solch einen Bohei darum machte.
    Und dann, in der dritten Woche, kamen wir zu den Eiern.
     
    »Julie, ich will, dass du aufhörst.«
    »Ich kann nicht. Ich kann nicht.«
    »Liebes, du hast dich selbst dazu entschlossen. Du kannst auch eigenmächtig beschließen, wieder damit aufzuhören, wenn du willst. Du kannst einfach beschließen, aufzuhören .«
    »Nein! Kapierst du das nicht? Das ist alles, was ich habe. Da draußen gibt es Leute, die das lesen . Ich kann doch verdammt noch mal nicht plötzlich damit AufhÖren!«
    Dieses Gespräch führe ich schon das ganze Leben mit meiner Mutter. Als ich mit sechs Jahren für die Valentinsparty in der Schule unbedingt mein Lieblingssommerkleid anziehen wollte und meine Mutter sagte, es sei zu kalt, stellte ich mich in Unterwäsche und mit Gänsehaut zwei Stunden vor die Haustür, um zu beweisen, dass sie nicht Recht hatte. Oder ich bewarb mich für das Drill-Team, weil ich genau wusste, ich schaffe die Probezeit nicht, und als ich sie doch schaffte, trat ich nicht mehr aus, sondern blieb acht Monate bei diesem klüngelnden Haufen halbgarer Mädchen, bekam Bulimie und band mir den dämlichen weißen Cowboyhut so fest an den Kopf, dass ich abends nach den Auftritten das Lederband aus der tiefroten Kerbe in meinem Hals fummeln musste. Oder als ich zwei Wochen vor meiner Hochzeit, mitten in der Catering-Krise und dem Fiasko mit den Kleidern für die Brautjungfern, für die zweihundert Gäste unbedingt klitzekleine nackte Frauen aus Fimo modellieren musste. Es ist, wie wenn man jemand durch Reden daran hindern will, aus dem Fenster zu springen. Manchmal funktioniert es, manchmal nicht.
    Meine Stimme wurde stahlhart und kalt. »Ich muss jetzt los, Mom. Ich hab dich lieb.«
    »Wart, Julie.« Panik am anderen Ende der Leitung. Mom wusste, dass ich ihr entglitt. »Bitte, Liebes. Hör auf mit dem Kochen. «
    »Tschüs, Mom.«
    Ich hängte auf. Ich hatte einen steifen Hals; als ich den Kopf drehte, knackste es. Der Weg zurück durch das mit Styropor-Chips übersäte Wohnzimmer war wie der Todesmarsch von Bataan.
    »Wir gehen es ganz langsam an«, hatte Eric gesagt. »Eile mit Weile«, hatte Eric gesagt. Das Ergebnis war, dass wir jetzt schon seit zweieinhalb Wochen umzogen.
    Es war die Hölle. Eineinhalb Wochen lang schleppten wir nur Kisten. Dann schafften wir es, dass an einem Samstag Bettkasten und Matratzen transportiert wurden. In dieser Nacht ließen wir die Katzen in der alten Wohnung. Wir schliefen in der neuen und machten die entmutigende Entdeckung, dass es in unserem Loft morgens früh um drei Uhr so laut war wie bei einer Monster Truck Rallye. Am Sonntag holten wir die Katzen. Unterwegs kotzte die eine ihren Transportkorb voll, die zweite schiss sich zu. Die dritte stürzte kurzerhand in jenen psychischen Abgrund, welcher von Kriegswaisen und den letzten Überlebenden nach einer Invasion der Außerirdischen bevölkert ist, und flüchtete sofort nach der Ankunft in ihrem neuen Zuhause in den Zwischenraum über der abgehängten Decke, von wo sie bis zur Stunde nicht zurückgekehrt ist, obwohl wir sie da oben herumschleichen und manchmal auch schreien hören. Ab und zu heben wir eine der Deckenplatten an und schieben ihr ein Schälchen Sheba hinein.
    Eric und ich hatten uns in den letzten Wochen durch mehrere Höllenkreise gekämpft - ich nannte sie die »Reparatur-in-letzter-Minute-Hölle«, die »Nervtötender-Sackgassenjob-Hölle«, die »Mein-Mann-wurde-gerade-29-und-ich-habe-ihm-nichts-geschenkt-Hölle« und die »Ich-habe-eine-rasende-Schizophrenegeheiratet-Hölle«. Wir hatten geblutet, geschrien, geschältes Wurzelgemüse auf die modrigen Dielenbretter unseres neuen, heimwerkerfreundlichen Lofts fallen lassen, es wieder aufgehoben und in die Suppe geworfen. Obwohl wir jetzt von uns sagen konnten, wir wohnten in Long Island City, erschien uns das Wort »wohnen« als sadistischer Euphemismus. Wir hausten eher wie die wandelnden Toten.
    Die Küche sah aus wie der Ort eines Verbrechens. Auf dem Boden lagen Eierschalen, die bei jedem Schritt knirschten. In der Spüle türmte sich Geschirr von drei Tagen, und halb ausgepackte Umzugskartons waren in die Ecke geschoben. Unsichtbar im finstern Schlund des Mülleimers und

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