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Juliet, Naked

Juliet, Naked

Titel: Juliet, Naked Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Hornby
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Wie hatte das passieren können?
    »Die Wahrheit ist«, begann sie, im vollen Bewusstsein, mit dieser Formulierung eine hanebüchene Lüge einzuleiten, »dass ich
     selbst jemanden kennengelernt habe. Gut, es ist noch ganz ganz im Anfangsstadium, und wir haben noch nicht mal …«
    Wenn es um den ging, an den sie dachte – und andere Kandidaten fielen ihr partout nicht ein –, dann fehlten da am Ende des
     Satzes die Worte »persönlich ein Wort miteinander gesprochen«. Aber sie glaubte nicht, dass Tucker daran Anstoß nehmen würde.
     Er wusste, wie Fiktion funktionierte und wozu sie da war.
    »Du hast selbst jemanden kennengelernt? Ich bin … ich bin entgeistert.«
    Wenn Duncan je den genauen Grund erfahren wollte, warum andere ihn gelegentlich unerträglich fanden, konnte sie auf diese
     Beschreibung seines inneren Aufruhrs verweisen. Wer sonst hätte ohne jede Ironie das Wort »entgeistert« in den Mund genommen?
    »Ich war meinerseits ziemlich entgeistert, als ich von Gina erfuhr.«
    »Ja, aber …«
    Er hoffte offensichtlich, er würde auf die Unterschiede zwischen seiner und ihrer Lage nicht näher eingehen müssen – Unterschiede,
     die natürlich wesentlich tiefer reichten, als er ahnen konnte. (Und was, wenn nicht? Was, wenn Gina so imaginär wäre wie Tucker?
     Die Erklärung war für sie leichter zu schlucken als die, die er ihr vorgesetzt hatte: dass eine Frau nur einen Blick auf Duncan
     warf und ihn gleich ins Bett zerrte. Es lag gar nicht mal an Duncans äußerer Erscheinung, dass es so unglaublich klang. Aber
     dass eine Frau einen ganzen Abend mit Duncan reden und dann immer noch mit ihm schlafen wollte, konnte man sich nur schwer
     vorstellen.)
    »Aber was?«
    »Na ja, Gina war ein Faktum . Sie war eine bekannte Größe. Das jetzt ist etwas vollkommen Neues.«
    »Gina ist relativ neu. Für mich jedenfalls. Und überhaupt, was ist sie? So eine Art nuklearer Erstschlag, der die Gegenseite
     außer Gefecht setzt? Darf ich kein eigenes Leben haben, nur weil die Trennung von dir ausging?«
    Duncan machte eine gequälte Miene.
    »Da ist einiges bei, das ich so nicht stehen lassen möchte.«
    »Na dann mal los.«
    »Gut, der Reihe nach: A) Ich würde nicht sagen, du bist die Gegenseite. So betrachte ich dich nicht. B) Von wegen »ein eigenes
     Leben haben«. Für mich hattest du schon ein Leben, bevor wir uns getrennt haben. Aber ich bin, wie ich dir zu erklären versucht
     habe, gar nicht sicher, ob ich ein eigenes Leben habe. Nicht so wie du es meinst. Was soll’s, wir kommen vom Thema ab. Du triffst dich also mit jemandem.«
    »Genau.«
    »Kenne ich ihn?«
    Einen Moment lang war Annie versucht, ihn für den überheblichen Gebrauch des männlichen Fürworts zu rügen, aber sie konnte
     nicht alles haben: Sie konnte nicht erwarten, dass das Foto am Kühlschrank viel brachte, wenn sie ihm gleichzeitig weismachen
     wollte, sie wäre lesbisch geworden.
    Kannte Duncan ihn? Hm, ja und nein. Eher nein, entschied sie.
    »Nein.«
    »Immerhin etwas. Habt ihr …«
    »Ich weiß wirklich nicht, ob ich über intime Details reden möchte, Duncan. Das ist privat.«
    »Ich verstehe. Aber es würde mir schon weiterhelfen, wenn du mir noch eine Frage beantworten könntest.«
    »Dir weiterhelfen, inwiefern?«
    »Hast du ihn schon getroffen, bevor … Bevor ich … Vor den jüngsten Ereignissen?«
    »Wir hatten Kontakt, ja.«
    »Und hat er …«
    »Mehr sage ich dazu nicht, Duncan. Tut mir leid.«
    »Na schön. Und wo stehen wir nun?«
    »Ziemlich genau da, wo wir eben auch standen. Du triffst dich mit jemandem – lebst mit jemandem zusammen –, und ich treff
     mich mit jemandem. Ein Außenstehender würde sagen, wir haben uns neu orientiert. Besonders du.«
    Annie hoffte, dass dieser Außenstehende hauptsächlich durch Ginas Fenster gestarrt hatte, und weniger durch ihres.
    »Ich weiß, dass es so aussieht, aber … Ach, Mensch, willst du mich wirklich zwingen, so weiterzumachen?«
    »Womit weiterzumachen?«
    »Mit Gina.«
    »Duncan, hörst du dir eigentlich manchmal selbst zu?«
    »Wieso, was hab ich denn gesagt?«
    »Ich zwinge dich zu gar nichts. Wenn du nicht mit Gina zusammensein willst, solltest du ihr das sagen. Aber ich hab nichts
     damit zu tun.«
    »Ich kann ihr das nicht sagen. Nicht, wenn es nichts gibt, was ich ihr sagen kann.«
    »Wovon redest du da?«
    »Na ja, wenn ich ihr zum Beispiel sagen könnte, Annie und ich kommen wieder zusammen oder Annie ist selbstmordgefährdet, und
     ich kann sie nicht

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