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Juliet, Naked

Juliet, Naked

Titel: Juliet, Naked Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Hornby
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alleine lassen, bin ich sicher, sie würde es verstehen. Aber ich kannja schlecht hingehen und einfach sagen, ›Du bist mir zu verrückt‹, oder?«
    »Tja, das wohl nicht. Es wäre mir doch lieber, du lässt es.«
    »Aber was soll ich dann sagen?«
    »Ich fürchte, du hast etwas übereilt gehandelt. Du solltest ihr sagen, dass du … Ach, Duncan, das ist doch bescheuert. Vor
     ein paar Wochen hast du mir gesagt, dass du jemanden kennengelernt hast, und nun soll ich dir das Drehbuch dazu liefern, wie
     du da wieder rauskommst.«
    »Ich will ja kein ganzes Drehbuch, nur einen groben Plot. Und außerdem: Wenn ich was sage, wo soll ich dann wohnen?«
    »Du würdest also lieber auf ewig mit ihr zusammenleben, anstatt dir eine Wohnung zu suchen?«
    »Ich hatte gehofft, ich könnte wieder hier einziehen.«
    »Ich weiß, Duncan. Aber wir haben uns getrennt. Das wäre nicht richtig.«
    »Die Hälfte vom Haus gehört mir.«
    »Ich hab einen Antrag gestellt, die Hypothek zu erhöhen, um dich auszahlen zu können. Ich weiß nicht, ob es klappt, aber der
     Typ bei der Bausparkasse meinte, es könnte hinhauen. Und wenn du vorher Geld brauchst, kann ich dir aushelfen. Das erscheint
     mir nur fair.«
    Je länger dieses Gespräch dauerte, desto mehr verflogen Annies Zweifel und Unentschlossenheit. Duncans offenkundige Reue tat
     natürlich ein Übriges, krank, wie es nun mal war – dass sie nicht mehr richtig abgewiesen wurde, machte ihr völlig klar, dass
     sie keinen Moment länger mit ihm zusammensein wollte, und der Unmut verlieh ihr eine Kraft und Entschlossenheit, von der sie
     wünschte, sie könnte sie öfter aufbringen.
    »Ich hätte nie gedacht, dass du so … so hart sein könntest.«
    »Ach was? Ich bin also hart, weil ich dir gerade angeboten habe, dir Geld zu leihen?«
    »Äh, ja. Du würdest mir lieber Geld leihen, als mich zurückzunehmen.«
    Und dann auch noch das: Zu allem Überfluss war er auch noch geizig. Duncan würde lieber eine Beziehung zu einer Frau, die
     er nicht leiden konnte, aufrechterhalten, als ihr ein paar Kröten zu leihen.
    »Mach mir doch bitte noch einen Tee. Ich muss mal schnell oben aufs Klo.«
    Sie musste gar nicht, und sie wollte keinen Tee mehr, und sie wollte auch nicht, dass Duncan länger blieb. Aber er würde die
     Milch aus dem Kühlschrank holen müssen, und dann musste er zwangsläufig das Foto bemerken.
    Als sie wieder herunterkam, starrte er darauf.
    »Das ist er, stimmt’s?«
    »Tut mir leid. Ich hätte es abnehmen sollen.«
    »Ich will ja nicht unhöflich sein, aber … ist das sein Sohn oder sein Enkel?«
    Annie kam einen Moment durcheinander: Die Ironie des Ganzen war dermaßen komplex, dass sie sich nicht mehr zurechtfand.
    Duncan fehlten so viele entscheidende Informationen, dass er auf dem Bild nur einen bebrillten, grauhaarigen Mann mit einem
     kleinen Jungen sah.
    »Das ist ziemlich gemein.«
    »Tut mir leid. Es ist nur nicht direkt ersichtlich.«
    »Das ist sein Sohn. Und er ist so alt wie du.«
    Stimmte nicht, hätte aber sein können. Mehr oder weniger.
    »Da hat er wohl einiges mitgemacht. Noch mehr Kinder?«
    »Tut mir leid, Duncan, ich denke, du gehst besser. Mir passen diese Fragen nicht.«
    Es hatte bei Weitem nicht so viel Spaß gemacht, wie sie gehofft hatte.
     
    Wenigstens hatte sie noch seine E-Mail, die sie zudem erst einmal gelesen hatte. Sie hatte sie im Büro ausgedruckt, zusammen
     mit dem Foto, und in einen Umschlag gesteckt, damit sie bei all dem Gerümpel am Boden ihres Beutels keine Eselsohren bekam
     und verdreckt wurde. Nachdem sie sich etwas zu essen gemacht hatte, setzte sie sich hin und faltete das Blatt auseinander,
     stand dann aber wieder auf, weil sie lieber ihre Lesebrille aufsetzen wollte. Meistens ließ sie sie einfach weg.
    Das Bild, das sie bot, erinnerte sie an jemanden. Der Brief (denn das war die Mail nun), die Brille, der Sessel … Wie oft
     hatte sie ihre Mutter und ihre Großmutter so dasitzen sehen, um irgendetwas, das in der Post gewesen war, mit ungeteilter
     Aufmerksamkeit zu studieren? Wer waren doch gleich diese Leute gewesen, die ihnen geschrieben hatten? Namen fielen ihr wieder
     ein, Namen, an die sie seit Jahren nicht gedacht hatte: Betty aus Kanada – wer war Betty? Warum war sie in Kanada? Woher kannte
     ihre Großmutter sie? Tante Vi aus Manchester, die gar keine richtige Tante war … Als Annie mitten in der Pubertät und daher
     griesgrämig und hochnäsig war, hatte sie immer gefunden, dass die gute Laune, mit

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