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Juliet, Naked

Juliet, Naked

Titel: Juliet, Naked Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Hornby
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wenn wir uns entschlössen, das Thema auf ›Gooleness
     in den 60ern‹ auszuweiten, würden wir noch Probleme haben.«
    »Ich kann mir das nicht vorstellen«, sagte er. »Hier war in den 60ern der Teufel los. Alle möglichen Sachen.«
    »Das glaub ich gern.«
    »Nein, tun Sie nicht«, blaffte er. »Sie tun nur so, um mir nach dem Mund zu reden. In Wirklichkeit halten Sie unsere Stadt
     für ein ödes Kaff, und das haben Sie schon immer getan. Ihnen würde es noch Spaß machen, nur das Auge eines toten Hais mitten
     in den Saal zu stellen und den Leuten zu erklären, das brächte Gooleness genau auf den Punkt. Das fänden Sie komisch. Ich
     wusste ja gleich, dass wir besser jemanden von hiereingestellt hätten. Jemanden mit einem Sinn für Lokalgeschichte.«
    »Ich weiß, ich bin nicht hier aufgewachsen, Terry. Aber ich finde doch, dass ich eine gewisse Affinität zu dieser Stadt entwickelt
     habe.«
    »Quatsch mit Soße. Sie können’s gar nicht abwarten, hier wegzukommen. Tja, nachdem Ihnen Ihr Freund abgehauen ist, hält Sie
     ja jetzt nichts mehr hier, oder?«
    Sie konzentrierte sich auf die Wand hinter seinem Kopf, um die Träne zurückzuhalten, die sich in ihrem rechten Auge bildete.
     Warum das rechte? War der rechte Tränenkanal eventuell mit der linken Seite des Gehirns verbunden, und die linke Seite des
     Gehirns ist die, die emotionale Traumata verarbeitete? Sie hatte keine Ahnung, aber es half, sich in Gedanken damit zu beschäftigen.
    »Tut mir leid«, sagte Terry. »Ich hatte kein Recht dazu, Ihr Privatleben da mit hineinzuziehen. Gooleness ist eine großartige
     Stadt, aber auch eine kleine, da stimme ich Ihnen zu. Mein Neffe ist auf dem College, und dort scheinen schon alle Bescheid
     zu wissen.«
    »Schon gut. Und Sie haben ja recht: Jetzt bindet mich noch weniger an den Ort als vorher. Aber ich würde dennoch gerne diese
     Ausstellung auf den Weg bringen, bevor ich weggehe. Falls ich weggehe.«
    »Schön. Das ist sehr nett von Ihnen. Und es tut mir leid, dass ich wegen der schleppenden Fortschritte ein bisschen rumgepoltert
     habe. Dieses Jahr damals … ich kann’s selbst nicht erklären. Alles erschien mir wie verzaubert, und ich dachte, den anderen
     wäre es ähnlich ergangen und sie kämen nun zuhauf mit …«
    »Wissen Sie, das ist mit ein Teil des Problems. Ich weiß nicht recht, was die Leute uns überhaupt zur Ausstellung überlassen
     sollen.«
    »Tja, ich zum Beispiel werfe nie etwas weg. Ich behalte jede Zeitung, jede Kinokarte, praktisch jedes doofe Busticket. Ich
     habe eins von diesen alten blauroten Plakaten für die Rolling Stones plus Autogramm von Bill Wyman, weil er der einzige Arsch
     war, der mir eins geben wollte. Ich hab Fotos von meiner Mutter, wie sie vor Grant’s Kaufhaus steht, einen Tag, bevor es abgerissen
     wurde. Ich hab einen Schuhkarton voll von den Scheiß-Haifotos, Bildern von mir und meinen Kumpels vor dem alten Queen’s Head,
     bevor sie einen miesen Nachtclub draus gemacht haben …«
    »Ich frage mich, ob Sie uns vielleicht ein paar Sachen davon ausleihen könnten?«
    Sie war so höflich und zurückhaltend, wie ihr unter den gegebenen Umständen möglich war. Doch sie war davon überzeugt, dass
     eine Gruppe von Geschworenen Verständnis zeigen würde, wenn sie ihn jetzt kaltmachte, vorausgesetzt, die Geschworenen waren
     mit der aktuellen Budgetierung kleiner Museen vertraut und den Restriktionen, denen jede fantasievolle Ausstellungsgestaltung
     unterlag.
    »Meinen alten Krempel will doch keiner sehen. Ich jedenfalls nicht. Ich würde lieber den der anderen sehen.«
    »Aber würde es Ihnen was ausmachen, wenn ich mal einen Blick darauf werfe?«
    »Zur Inspiration, meinen Sie? Um sich einen Eindruck zu verschaffen?«
    »Nun, das auch, sicher.«
    »Na ja, wenn’s sein muss.«
    »Vielen Dank. Und ich hätte auch nichts dagegen, wenn Sie uns einige Ihrer Erinnerungsstücke ausleihen könnten.«
    »Da müssten Sie aber wirklich verzweifelt sein.«
    »Ja«, sagte sie. »Schön.« Und dabei beließ sie es.
    Er hatte natürlich völlig recht: Sie hatte Gooleness nie ernst genommen und Duncan auch nicht. Letztlich war es genau das,
     was sie zusammenschweißte: die Verachtung für die Stadt, in der sie lebten, und ihre Menschen. Deswegen hatten sie ja überhaupt
     zusammengefunden, deswegen waren sie zusammengeblieben, aneinandergeklammert im kalten Wind der Ignoranz und des Spießertums.
     Was für eine Art von Kuratorin war sie eigentlich, wenn sie sich nie

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