Juliet, Naked
verspreche ich jedenfalls,
dass ich empfänglicher dafür sein werde.«
Er rief sie auf der Arbeit an, in der Mittagspause.
»Das war sehr nett von dir.«
»Oh, schon in Ordnung.«
»Also echt aufregend, was?«
»Unglaublich, ja.«
»Es gibt ein Bild davon auf der Website.«
»Ich guck’s mir vielleicht später an.«
Es folgte Schweigen. Das war ja so durchsichtig von ihm; es überkam sie plötzlich ungewohnte Zuneigung. Er wollte das Gespräch
in Fluss halten und suchtezugleich nach einer eleganten Art, aus diesem winzigen Fünkchen Interesse etwas Wärmeres und Behaglicheres zu machen. Das
musste nicht bedeuten, dass er sie zurückhaben wollte, das war ihr klar, aber sie war sicher, dass ihre Verärgerung ihn verletzt
und verstört hatte. Außerdem würde er Heimweh haben. Er hasste es, nicht von seinen Sachen umgeben zu sein, sogar im Urlaub.
»Kann ich gelegentlich mal auf einen Tee vorbeikommen?«
Eleganz war nicht sein Ding. Er versuchte es lieber mit Verzweiflung und hoffte, dass sie auf seine Bedürftigkeit ansprach.
»Tja …«
»Nur wenn es dir passt, natürlich.« Als wäre Termindruck und nicht seine Untreue und deren Folgen der Anlass für ihr Zögern.
»Vielleicht später in der Woche? Damit sich der Staub etwas setzen kann?«
»Oh. Echt. Ist denn da noch, äh … Staub?«
»Ja, hier schon. Ich weiß nicht, wie’s bei dir aussieht.«
»Ich vermute, wenn ich sage, es ist nicht staubig, wirst du denken … keine Ahnung, dass bei mir alles okay ist.«
»Um ehrlich zu sein, würde ich denken, der Staub wäre dir bloß noch nicht aufgefallen, Duncan. Als du noch hier gewohnt hast,
hast du ihn jedenfalls nie bemerkt.«
»Oh. Ich dachte, wir reden über metaphorischen Staub.«
»Tun wir auch. Aber man darf doch noch einen Scherz machen, oder?«
»Ha ha. Ja, natürlich. Wann immer du möchtest. Ich denke, du hast ein Recht, mich ein bisschen aufzuziehen.«
Plötzlich fühlte sie sich durch die blanke Hoffnungslosigkeit ihrer Beziehung zu Duncan wie erschlagen. Sie war nicht nur
in ihrer momentanen Phase hoffnungslos, sie war es immer schon gewesen. Es war ein nicht passendes Internetdate mit einem
inadäquaten, langweiligen Mann, das sich jahrelang hingezogen hatte. Und dennoch veranlasste irgendwas sie, mit ihm zu flirten,
falls ein Flirt mit Verbitterung, und dafür ohne jeden Spaß, jede Freude und jede Aussicht auf Sex vorstellbar war. Es lag
an der Zurückweisung, fand sie. Und Zurückweisung in Gooleness war noch mal extra zurückweisend.
»Wie wär’s mit Donnerstag?«
In Wahrheit wollte sie gar nicht so lange warten – sie wollte, dass er das Bild so bald wie möglich zu Gesicht bekam. Sie
war sich aber auch bewusst, dass der verzweifelte Wunsch, jemand möchte jemand anderen auf einem Foto nicht erkennen, unschön
war und möglicherweise sogar auf eine seelische Krise hindeutete.
Terry Jackson, ihr Kontakt beim Kulturausschuss, mit dem sie zusammenarbeitete, war über den schleppenden Fortschritt bei
der Vorbereitung der Ausstellung über 1964 nicht erfreut und erschien im Museum, um es Annie kundzutun.
»Im Moment wäre das Prunkstück der Ausstellung was noch mal genau? Ein eingelegtes Hai-Auge? Ich kann mir nur schwer vorstellen,
dass sich das jemand länger betrachten möchte.«
»Wir halten eigentlich nichts von Prunkstücken.«
»Tun wir nicht?«
»Nein, wir …«
»Lassen Sie es mich dann anders formulieren: Ist das Auge des Hais das Beste, was wir bislang haben?«
»Eigentlich hatten wir gehofft, dass so viele tolle Exponate zusammenkommen, dass wir gar nicht überlegen müssen, welches
das Beste ist.«
Jedes Mal, wenn Annie Terry Jackson traf, war sie irritiert von seiner ergrauten, aber üppigen Tolle, die von Brylcreem perfekt
in Form gehalten wurde. Wie alt mochte er 1964 gewesen sein? Zwanzig? Einundzwanzig? Seit er seine Wunschausstellung in groben
Zügen dargestellt hatte und sie naiv und arrogant genug gewesen war zu glauben, sie könne sie umsetzen, hatte sie das deutliche
Gefühl, dass er etwas in diesem Jahr zurückgelassen hatte und sie ihm dabei helfen könne, es wiederzuerlangen. Aber das Auge
des Hais war ihm offensichtlich keine Hilfe.
»Viele tolle Sachen haben Sie aber nicht.«
»Wir haben sicherlich noch nicht genug, das stimmt.«
»Ich müsste lügen, um zu sagen, dass ich nicht einigermaßen enttäuscht bin, Annie.«
»Es tut mir leid. Es ist recht schwierig zu realisieren. Ich fürchte, selbst
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