Juliregen
Tür und blickte hinein.
In dem großen Raum standen mehrere Schränke und Kommoden, die nicht allein für die Kleinen gedacht waren. Die Kinder lagen in zwei Himmelbetten, die etwa zwei Meter auseinander standen. Im Schein des durch die Tür fallenden Lichts konnte Lore sehen, dass sowohl der vierjährige Wolfhard wie auch die zweijährige Dorothea süß und selig schliefen.
Erleichtert schloss Lore die Tür und nickte Nathalia zu. »Wolfi und Doro weilen im Traumland.«
»Das tun wir beide in Kürze ebenfalls«, erklärte Nathalia. »Wo ist eigentlich Fridolin? Ich habe ihn zuletzt nicht mehr gesehen.«
»Grünfelder und Dohnke wollten ihn noch sprechen. Wer weiß, welche Geschäfte die beiden ihm diesmal unterbreiten.« Lore ärgerte sich noch immer, dass die Kompagnons ihres Mannes diesen auch nachts in Beschlag nahmen, hatte sie doch gehofft, sich mit Fridolin ein wenig über den Festabend und die Gäste unterhalten zu können. Doch wie es aussah, ließen seine Geschäftspartner ihn nicht aus den Klauen.
Kaum hatte sie diesen Gedanken gefasst, vernahm sie Emil von Dohnkes Stimme an der Tür des Rauchzimmers aufklingen. »Dann sind wir uns ja einig, Graf Trettin! Ich wünsche Ihnen eine gute Reise und hoffe, Sie treffen alles so an, wie es Ihren Vorstellungen entspricht. Ihre Entscheidung können Sie uns telegrafisch mitteilen. Jetzt aber wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie mir Ihren Wagen zur Verfügung stellen könnten, denn mein Schwiegervater will heute Nacht seiner eigenen Wege gehen.«
Wohl ins
Le Plaisir
, dachte Lore. Sie hatte sich gelegentlich mit Hede Pfefferkorn – oder Laabs, wie diese seit ihrer Heirat hieß – getroffen. Dies war zwar für eine Dame ihres Standes ausgesprochen ungehörig, doch sie mochte Hede, seit diese ihr einmal in höchster Not beigestanden hatte. Von ihr hatte sie auch erfahren, dass August von Grünfelder ihr Etablissement in regelmäßigen Abständen aufsuchte, um dort das zu finden, was seine Ehefrau ihm nicht mehr zu geben bereit war.
VIII.
A ls Fridolin ins Schlafzimmer kam, hatte Lore sich bereits zur Nacht zurechtgemacht. »Ist etwas passiert?«, fragte sie besorgt, denn ihr Mann sah aus wie ein kleiner Junge, der etwas ausgefressen hatte.
Fridolin ließ sich tief durchatmend auf dem Bettrand nieder. »Es kann sein, dass du mich einen Narren nennen wirst, der sich von seinen Geschäftspartnern über den Tisch hat ziehen lassen.«
»Wie meinst du das?«
»Ich habe vielleicht einen Riesenfehler begangen, aber ich wusste mir nicht anders zu helfen. Es geht um einen Kredit, der geplatzt ist. Eigentlich müsste Grünfelder die Verluste alleine tragen, denn er hat die Summen bewilligt.«
Fridolin überlegte, wie er Lore die Sache am einfachsten erklären konnte. Von den Regeln interner Verrechnungen verstand sie nichts, ebenso wenig von den gesetzlichen Vorgaben in einem solchen Fall.
»Haben Grünfelder und Dohnke dich aufgefordert, den Verlust mitzutragen?«, fragte Lore schließlich, der Fridolins Schweigen zu lange dauerte.
»So könnte man es sagen.« Da die Geschichte nicht mit einigen wenigen Worten zu erklären war, holte Fridolin etwas weiter aus und berichtete Lore von dem gefälschten Schmuck.
»Wie es aussieht, hat Baron Anno von Klingenfeld, der im Namen seines Vaters aufgetreten ist, den Schmuck mehrfach kopieren lassen, die Originale jeweils auf dem Weg von den schätzenden Juwelieren zu den Banken gegen die wertlosen Falsifikate ausgetauscht und den echten Schmuck behalten. Er muss dabei ein Vermögen ergaunert haben! Zwar hat Grünfelder einen Detektiv damit beauftragt, Klingenfeld zu suchen. Doch ich glaube, der Mann wird weit reisen müssen, vielleicht sogar in die USA oder nach Argentinien. Geld genug, um sich dort anzusiedeln und den großen Herrn zu spielen, hat der Betrüger zusammengerafft.«
»Dann wollen wir hoffen, dass dieser Detektiv den Mann trotzdem findet und das Geld und den Schmuck zurückbringt«, antwortete Lore und fand, dass dieses Thema bei weitem nicht so interessant war, wie Fridolin zu küssen.
Ihr Ehemann umarmte sie und erwiderte den Kuss. Doch dann hielt er inne. »Du kannst mir glauben, dass ich jetzt auch Besseres zu tun wüsste, als weiterzureden. Doch es liegt mir am Herzen, dir alles zu berichten. Was würdest du sagen, wenn du dich bald Gutsherrin nennen könntest?«
»Gutsherrin! Wie kommst du denn darauf?«
»Es geht um das einzige Pfand, das Grünfelder in dieser Sache noch besitzt, nämlich um ein Gut
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