Juliregen
suchen können. Er war jedoch sicher, dass Anno von Klingenfeld bei seinen Betrügereien mehrere Helfer gehabt haben musste, und das ließ ihm keine Ruhe. Da die Behörden hohe Belohnungen für die Ergreifung einiger Gauner zahlten, wollte Maruhn sich auch dieses Geld verdienen. Aus dem Grund durfte er nicht warten, bis Klingenfeld zurück war und seine Kumpane der Obrigkeit preisgab.
Sein einziger Anhaltspunkt war jene Juwelierrechnung, die er im Schrank in Sikkos Krug gefunden hatte. Diese hielt er nun in der Hand und prüfte sie noch einmal ganz genau. Neben ihm auf dem Tisch lagen Zettel mit den Namen und Anschriften aller Juweliere und Schmuckhändler, die er im Adressbuch der Stadt Berlin gefunden hatte.
Einige sortierte er sogleich aus, denn die Männer kannte er und konnte sich nicht vorstellen, dass sie sich für einen solchen Schurkenstreich hergeben würden. Der Rest stellte eine harte Nuss dar, denn er hatte nur ein paar Buchstaben des Namens und der Adresse. Immer wieder schrieb er Namen auf und wechselte die Zeilen aus, um zu sehen, ob sie passten. Zwei Juweliere notierte er sich und beschloss, sie noch am selben Tag aufzusuchen. Da er aber noch nicht ans Ende seiner Adressliste gekommen war, wollte er das Haus erst verlassen, wenn er alle verglichen hatte.
Selbst zum Mittagessen nahm er seine Notizen mit und widmete sich ihnen intensiver als der Fleischklößchensuppe und dem Kartoffeleintopf, die seine Haushälterin und Geliebte auf den Tisch stellte.
Frida sah ihm eine Weile zu und schüttelte schließlich den Kopf. »Die Sache beschäftigt dich noch immer?«
Der Detektiv hatte eben eine weitere Adresse gefunden, die passen konnte, und schrieb diese erst auf, bevor er Antwort gab. »Ich möchte alles lückenlos aufklären, meine Liebe. Vielleicht kann ich einen ganz großen Fisch an Land ziehen und die ausgelobten Belohnungen kassieren. Dann könnten wir heiraten.«
»Du hast diese Idee wohl noch immer nicht aufgegeben, was?« Frida lachte leise, doch als sie in sich hineinhorchte, spürte sie, wie sehr es ihr gefallen würde, ihre Einkäufe in Zukunft als Frau Maruhn zu tätigen. Vielleicht konnten sie sich sogar ein Dienstmädchen leisten, das ihr die grobe Arbeit abnahm.
»Nein! Und ich werde auch nicht aufgeben.«
Auch wenn Maruhn damit vor allem den Betrugsfall mit dem falschen Schmuck meinte, spürte Frida, wie es ihr warm ums Herz wurde. »Dann wünsche ich uns beiden Glück!«
»Ich glaube, du hast es mir eben gebracht. Hier habe ich nämlich einen Juwelier, bei dem die Buchstaben alle stimmen. Er hat sein Geschäft in … Moment!«, Maruhn beugte sich über seine Notizen. »In Lichtenberg. Den werde ich mir als Ersten vornehmen.«
Er korrigierte sich sofort. »Zwei weitere liegen fast auf dem Weg. Die kann ich noch zuvor aufsuchen.«
Zufrieden mit seiner Entscheidung, aß er seinen Teller leer, ging in sein Zimmer und vertauschte den Morgenrock mit seinem dunklen Straßenanzug.
Er hätte auf Grünfelders Kosten eine Droschke nehmen können, doch die Sparsamkeit, die er sich in all den Jahren angewöhnt hatte, ließ es nicht zu. Daher ging er zur Haltestelle des nächsten Pferdeomnibusses, stieg in einen Wagen, der in seine Richtung fuhr, und beobachtete unterwegs die ein- und aussteigenden Passagiere. Eine Frau, ihrer Tracht nach eine Amme aus dem Spreewald, war ebenso darunter wie zwei Soldaten eines in Berlin stationierten Regiments, die augenscheinlich Ausgang hatten. Weiter vorne saß eine vertrocknet aussehende Frau, deren Alter er zwischen fünfunddreißig und fünfundvierzig schätzte. Ihrem altmodischen, aber aus gutem Tuch bestehenden Kleid zufolge zählte sie zu einer Gesellschaftsschicht, die sich eine Droschke hätte leisten können. Ihr verkniffener Mund und die kalten Augen deuteten jedoch darauf hin, dass sie weder mit sich selbst noch mit ihrer Umwelt im Reinen war. Sie fuhr bis zur Palisadenstraße und stieg dort aus.
Der Detektiv sah noch, dass sie auf ein stattliches, aber nicht sonderlich gepflegt wirkendes Bürgerhaus zutrat, und fragte sich, weshalb er sich für die Fremde interessierte. Vielleicht hatte er in ihr eine ähnlich hilflose Wut gespürt, wie auch er sie nicht selten empfand.
Er beschloss, die Frau wieder zu vergessen, und stieg an der nächsten Haltestelle aus. In einer Seitenstraße fand er den ersten der drei Schmuckläden. Dieser zählte gewiss nicht zu jenen, die von der besseren Gesellschaft frequentiert wurden, denn im Schaufenster
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