Juliregen
»Das lassen Sie mal besser bleiben!«
Mit einem drohenden Gesichtsausdruck schob er den Mann, dessen Schnauzbartenden nun vor Wut und Angst zitterten, ganz zur Seite und öffnete das Fach. Ein mit Diamanten besetztes Collier und ein dazu passendes Diadem sprangen ihm direkt ins Auge. Er nahm beides heraus und musterte es.
»Das ist ebenfalls echt! Was wird hier gespielt? Reden Sie, sonst muss ich den Herrn Polizeipräsidenten aufsuchen. Dessen Männer werden die Wahrheit aus Ihnen herausprügeln!«
Durch das Schaufenster hatte der Juwelier Maruhn kommen sehen und erinnerte sich nun an dessen Hinken. Mit einem Krüppel glaubte er fertig zu werden, und so schlug er überraschend zu.
Für einen Moment sah der Detektiv Sterne und taumelte rückwärts gegen den Schrank. Mit einem triumphierenden Ruf packte der Juwelier eine spitze Feile und stach nach ihm.
Gerade noch rechtzeitig drehte Maruhn sich zur Seite, die Feile schrammte an seiner linken Seite vorbei und bohrte sich in das Möbelstück. Bis sein Gegner sie aus dem Holz gezogen hatte, stand Maruhn wieder fest auf den Beinen. Er zog den Stockdegen und richtete die Klinge auf den Juwelier.
Dieser ließ erschrocken die Hand sinken und legte die Feile weg. »Verdammter Bluthund!«
Seine Miene verriet, dass er aufgegeben hatte. Er wusste, der Detektiv konnte ihn ohne Folgen niederstechen, wenn er auf den unterschlagenen Schmuck wies und erklärte, er habe in Notwehr gehandelt.
Maruhn ließ die Klingenspitze ein wenig höher wandern, bis sie den Adamsapfel des Schmuckfälschers berührte. »Diese freundliche Bemerkung will ich überhört haben. Und jetzt machen Sie endlich den Mund auf! Wie kommen Sie zu dem echten Klingenfeld-Schmuck?«
»Er gehört mir! Der Baron hat ihn mir verkauft«, behauptete der Juwelier mit schwankender Stimme.
Auf Maruhns Lippen trat ein spöttisches Lächeln. »Wir werden bald erfahren, ob das stimmt. Baron Klingenfeld wurde auf dem NDL -Schnelldampfer
Aller
festgesetzt und wird nach Deutschland zurückgebracht. Also können wir euch beide in dieselbe Zelle sperren.«
»Nein! Nicht in dieselbe Zelle!«, kreischte der Mann auf. »Klingenfeld wird mich umbringen!«
»Weil Sie auch seinen Schmuck durch Imitate ersetzt haben.« Ein Blick in das Gesicht seines Gegenübers bewies Maruhn, dass er ins Schwarze getroffen hatte.
Der Juwelier nickte erbost. »Ja, zumindest einen Teil. Vier Mal musste ich den Schmuck für den Baron kopieren, und er hat mir nur ein paar lumpige Mark dafür bezahlt. Da er nach Amerika fahren wollte, dachte ich …«
»… er würde wohl kaum mehr die Gelegenheit finden, zurückzukommen und den Schmuck von Ihnen zu fordern. Sie sind recht geschickt, muss ich sagen. Aber allein mit dieser Angelegenheit haben Sie sich etlicher krimineller Handlungen schuldig gemacht, und ich glaube kaum, dass Sie unter zehn Jahren Zuchthaus davonkommen werden.«
Maruhn überlegte, wie er die Polizei rufen und gleichzeitig verhindern konnte, dass der Juwelier den Schmuck nahm und damit verschwand. Da schob dieser ihm alle Teile zu, die sichtbar in der oberen Schublade lagen.
»Hier, nehmen Sie das Zeug und lassen Sie mich in Frieden!«
Maruhn musterte die Stücke und schüttelte den Kopf. »Das ist höchstens die Hälfte des unterschlagenen Schmucks.«
»Den Rest hat Klingenfeld mitgenommen«, rief der Juwelier – für Maruhns Gefühl verdächtig rasch.
»Davon werde ich mich lieber selbst überzeugen!« Der Detektiv bedeutete dem Ladenbesitzer, ein Stück beiseitezutreten, und öffnete nun nacheinander alle Schubfächer. Wie erwartet, lagen dort etliche wertvolle Schmuckstücke. Da er sich für seinen Auftrag die falschen Stücke, die Grünfelder untergeschoben worden waren, genau angesehen hatte, konnte er sagen, was zu dem Schmuck des Barons gehörte und was nicht. Zuletzt fehlten nur noch eine kleine Brosche und ein Armband, die zusammen vielleicht dreihundert Mark wert waren. Obwohl Maruhn vermutete, dass sie sich ebenfalls in diesem Laden befanden, gab er sich mit dem zufrieden, was er gefunden hatte.
»Ich brauche einen Karton oder eine Tasche, um den Schmuck zu transportieren«, erklärte er dem Juwelier.
Dieser erstickte beinahe an seiner Wut, wagte aber nicht noch einmal, handgreiflich zu werden. Mit einem mürrischen Brummen reichte er dem Detektiv eine Schachtel und deutete zur Tür. »Verschwinden Sie endlich!«
Maruhn schüttelte lächelnd den Kopf. »Vorher habe ich noch ein paar Fragen. Sie haben zwar
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