Juliregen
vielleicht einen Knecht abfangen und mit ein paar Mark zum Reden bringen könnte, bemerkte er, wie zwei andere Damen in einem offenen Wagen und in Begleitung zweier Reiter das Gut verließen und geradewegs auf ihn zukamen. Laabs drückte sich an den Zaun, der am Rand des Weges entlanglief, und sah ihnen entgegen.
Auch diese Leute redeten unentwegt und recht laut, so dass er einiges verstehen konnte.
»… wird die Trettin es niemals schaffen, das Haus vollständig einzurichten! Ich würde mich schämen, auf Möbel angewiesen zu sein, die bei den Nachbarn erbettelt worden sind, damit ich überhaupt einen Stuhl und ein Bett besitze«, erklärte die ältere der beiden Damen höhnisch.
»Sie wird sich mit dem viel zu großen, alten Haus ruinieren, und das vergönne ich diesem arroganten Stück«, rief ihre Begleiterin aus, die Laabs der Ähnlichkeit wegen für die Tochter hielt.
»Ich hoffe nur, die Retzmann macht nicht den Fehler, die Trettins auch noch mit Geld zu unterstützen. Leisten könnte sie es sich. Ich …«
Obwohl Laabs schnell in die Richtung gegangen war, die die vier Leute eingeschlagen hatten, war er zu langsam, um weiter mithören zu können. Dabei hätte es ihn wirklich interessiert, was die ältere Frau noch von sich gab. Doch als er über das Gehörte nachdachte, glaubte er, auf der richtigen Spur zu sein. Rasch kehrte er in Sikkos Krug zurück, verlangte dort ein Bier und erhielt ohne Aufforderung einen Korn hinzugestellt.
Da er um die Zeit der einzige Gast war, winkte er den Wirt heran. »Schenken Sie sich ebenfalls ein und setzen Sie sich zu mir. Allein vergeht die Zeit so langsam!«
Der Wirt füllte den Krug, den er eben ausgewischt hatte, und goss sich einen Korn ein. Dann nahm er neben seinem Gast Platz und prostete ihm zu. »Auf Ihr Wohl!«
»Und das Ihre!« Laabs trank einen Schluck und stellte zufrieden fest, dass der Wirt einen guten Zug hatte.
»Guter Mann, ich habe eben einen Spaziergang zu diesem Gutshof da drüben gemacht«, begann er. »Dort scheint man sich neu einzurichten.«
»Das ist wohl wahr! Das Gut ist in neue Hände gekommen. Bei den Käufern handelt es sich um Leute aus Berlin, die zu viel Geld zu haben scheinen, denn sie wollen auch die Fabrik fertigbauen.«
»So viel Geld wohl auch wieder nicht, denn ich habe zufällig ein Gespräch mitgehört, in dem eine Dame meinte, diese Gräfin T… Tr…«
»Trettin«, half der Wirt freundlich aus.
»Ja, genau, so wurde sie genannt! Diese Leute haben bezweifelt, dass es ihr gelingen könnte, das Herrenhaus einzurichten, und wenn, dann nur mit zusammengeborgten Möbeln.«
Laabs nahm an, dass der Wirt mehr über diese Sache wusste, und hatte sich nicht getäuscht. Sikko berichtete ihm vom Niedergang der Barone auf Klingenfeld und breitete alles, was er über die neuen Besitzer wusste, vor ihm aus. Es kostete Hedes Ehemann noch ein paar Krüge Bier und einige Korn, dann war er im Bilde.
Wie es aussah, wagte Fridolin von Trettin einen Ritt auf einem Tiger, indem er Gut Klingenfeld erworben hatte und die Fabrik fertigstellen wollte. Für die Einrichtung des durch Anno von Klingenfeld ausgeräumten Gutes selbst blieb ihm kein Geld. Einen Augenblick lang dachte Laabs an den verschwundenen Baron Anno, den er einige Jahre lang als Freund angesehen hatte. Inzwischen aber hatte der Kerl sich mit der gesamten Beute aus seinen Betrügereien in die Büsche geschlagen und war sowohl ihm wie auch Rudi Pielke die versprochene Belohnung für ihre Mithilfe schuldig geblieben. Das war doppelt fatal für ihn, weil er Anno von Klingenfeld an Pielke vermittelt hatte, und Letzterer die entgangene Summe nun von ihm verlangte. Nicht zuletzt deswegen durfte er diesmal nicht versagen.
Laabs schüttelte den Ärger über Klingenfelds doppelten Betrug ab und wandte sich den laufenden Plänen zu. Dabei formte sich eine Idee in seinem Kopf. Endlich wusste er, womit er die Komtess und deren Bekannte ködern konnte. Er wollte schon aufstehen und Sikkos Krug verlassen, entschied sich aber anders. Um den Wirt zum Reden zu bringen, hatte auch er selbst kräftig mithalten müssen, und er durfte seinen erkorenen Opfern nicht betrunken unter die Augen treten.
Zufrieden mit der Entwicklung ließ er sich von Sikko noch ein Bier und einen Schnaps einschenken und fand, dass sich das Leben für ihn endlich wieder von der besseren Seite zeigte.
X.
I n Berlin hätte Dirk Maruhn den Fall mit dem verschwundenen Schmuck zu den Akten legen und sich eine neue Aufgabe
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