Juliregen
wollte, setzte er leise hinzu: »Keine Sorge, Sie bekommen den vereinbarten Lohn und noch einiges dazu.«
Er wies auf die Tür, denn er hatte nicht die Absicht, noch ein weiteres Wort an den Zuhälter zu verschwenden. Für ihn war alles, was sich hier in Berlin abgespielt hatte, bereits Vergangenheit. Nun galt es, die Heirat mit Komtess Retzmann so rasch wie möglich durchzusetzen. Notfalls würde er sie an dem entsprechenden Tag ebenfalls unter Drogen setzen, damit sie nicht rebellierte. Bei dem Gedanken fiel ihm das Fläschchen mit dem Betäubungsgift ein, das er von Laabs erhalten hatte, und er musterte Nathalia, um zu sehen, ob er ihr das Mittel verabreichen musste.
Obwohl es im
Le Plaisir
so ausgesehen hatte, als würde Nathalia bald aufwachen, lag sie nun regungslos auf ihrem Sitz, und er glaubte sogar, ein leises Schnarchen zu vernehmen. Zufrieden steckte er das Fläschchen wieder ein und setzte sich Nathalia gegenüber.
Malwine nahm neben ihr Platz. Ihre Augen glitzerten, und sie wirkte um etliche Jahre verjüngt. Da Nathalia von Retzmann in ihrer Gewalt und Lore gedemütigt war, sah sie sich als Siegerin jenes Familienkrieges an, der noch zu Lebzeiten des alten Majoratsherrn auf Trettin begonnen hatte.
»Wie ist es, sollten wir sie nicht wieder be…, ihr die Medizin geben?« Beinahe hätte sie Dinge gesagt, die weder der Kondukteur noch irgendein Bahnreisender, der zufällig draußen vorbeiging, mithören durfte.
Ihr Sohn warf ihr einen mahnenden Blick zu und schüttelte den Kopf. »Sie schläft noch süß und selig. Warten wir, bis sie richtig wach wird.« Dann sah er Laabs an. »Sie sind ja immer noch da!«
»Ich bin schon weg! Gute Reise noch!« Nach diesen Worten zog Hedes Mann ab. Obwohl er auf das versprochene Geld warten musste und auch keine feste Zusage bekommen hatte, war er erst einmal froh, diesem hochnäsigen Pack entrinnen zu können.
IX.
G erhard Klampt fühlte sich ebenfalls nicht wohl in seiner Haut. Zwar hatte er nichts dagegen einzuwenden, dass Nathalia zu einer Ehe gezwungen wurde, die auch ihm Vorteile brachte. Auch lag es in seinem Interesse, wenn Lore und Fridolin von Trettin genau so erpressbar wurden wie Dorothea und Thomas Simmern. Doch der Hass, mit dem Malwine ihre Verwandten verfolgte, erschreckte ihn. Was war, wenn die Ehemänner der beiden Frauen Rache übten? Zumindest Simmern traute er das zu. Der Kerl war Seemann gewesen, und das waren rauhe Gesellen.
Ein paar Biere und noch mehr Korn dämpften Klampts Sorgen jedoch, und als er mit unsicheren Schritten das Haus in der Palisadenstraße betrat, war er überzeugt, es würde doch alles gut enden.
Im Flur war es stockdunkel, wie er verärgert feststellte. Armgard wusste doch, dass er an diesem Tag spät nach Hause kommen würde! Bisher hatte sie in solchen Fällen stets die Gaslaterne für ihn angezündet, doch nun musste er sich in ägyptischer Finsternis vorantasten. Der Alkohol machte es ihm schwer, die Stufen zu finden, und so zog er sich mühsam am Treppengeländer hoch. Oben erlebte er die zweite unangenehme Überraschung, denn im Flur des ersten Stocks brannte ebenfalls kein Licht. Außerdem stank es so, dass es ihm den Atem raubte.
»Armgard, was soll das?«, rief er empört, erhielt aber keine Antwort.
Sich an der Wand abstützend, schwankte er den Flur entlang bis zum Zimmer seiner Mutter und öffnete die Tür. Zu seiner Verwunderung war es auch hier dunkel. Offensichtlich hatten sich die beiden Frauen bereits zu Bett begeben. Das verwunderte ihn sehr, war er sich doch sicher gewesen, sie würden auf ihn warten, um zu erfahren, ob der Streich gelungen war.
Da ertastete er den Sessel seiner Mutter und dann auch sie selbst. Offenbar war sie eingeschlafen, denn sie lag ganz still. Sie schnarchte nicht einmal, wie sie es sonst tat, wenn der Schlummer sie übermannte.
Gerhard Klampt grinste. »Das wird eine Überraschung werden, wenn ich sie wecke!«
Er zog die Schachtel Patenthölzchen aus seiner Jackentasche, die er sonst für seine Zigarren verwendete, und brannte eines an, um die Gaslampe anzuzünden. Im gleichen Augenblick gab es einen fürchterlichen Knall, und er wurde gegen die Wand geschleudert.
Die enorme Explosion des ausgetretenen Gases zerfetzte ihn sowie die Leiber der beiden bereits toten Frauen, drückte die tragenden Mauern ein und brachte das ganze Haus zum Einsturz.
Als es der Feuerwehr und hinzueilenden Nachbarn endlich gelungen war, das Hauptventil der Gasleitung zu schließen und den
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