Juliregen
musste, zwingen, ihn zu heiraten.«
Langsam begann Lore zu begreifen, was hier gespielt wurde. »Dieser Herr heißt Trettin, nicht wahr?«
Der Fotograf hob unsicher die Hand. »Er hat seinen Namen nicht genannt, aber er war der Sohn der Dame, die mit ihm nach Osten reisen will.«
»Malwine!«
Damit war für Lore alles klar. Dieser Frau traute sie alle Gemeinheiten der Welt zu. Gemeinsam würde es den beiden möglicherweise sogar gelingen, Nathalia zu erpressen, in eine Ehe mit Ottwald einzuwilligen. Dann hatten ihr Cousin und seine Mutter ihr Ziel erreicht.
»Das darf auf keinen Fall geschehen! Frau Pfefferkorn, besorgen Sie mir bitte eine Droschke. Ich werde diesen Entführer sofort verfolgen. Vielleicht erreiche ich sie noch am Bahnhof, und wenn nicht, folge ich ihnen notfalls bis nach Ostpreußen. Zum Glück sind die Schufte nicht dazu gekommen, meine Börse zu leeren. Damit habe ich fürs Erste genug Geld. Telegrafieren Sie Fridolin, dass er nachkommen soll. Er weilt derzeit in Bremen. Meine Freundin wird Ihnen die Adresse nennen, sobald sie aus ihrer Ohnmacht erwacht ist.«
»Das bin ich gerade«, stöhnte Dorothea und öffnete mühsam die Augen. Da Lore und Hede sie bereits angezogen hatten, blieb ihr die Peinlichkeit erspart, sich in der Gegenwart von Männern unbekleidet wiederzufinden.
»Ich komme mit Ihnen, gnädige Frau!« Jürgen hatte im Zimmer seine Kleidungsstücke samt Schuhen, Brieftasche und Uhr entdeckt. Sofort sah er nach, wie spät es war, bevor er seine Schuhe anzog. »Wissen Sie, wann der Nachtzug nach Königsberg abfährt?«
Lore schüttelte den Kopf. »Nein, aber am Schlesischen Bahnhof werden wir es erfahren. Kommen Sie, wir brauchen dringend eine Droschke.«
»Nehmen Sie die, mit der Herr Göde und ich gekommen sind. Allerdings bin ich dem Kutscher einen halben Tag Fuhrlohn samt einem größeren Trinkgeld für seine Hilfe schuldig.«
»Kein Problem! Ich werde alles begleichen. Kommen Sie jetzt, Herr Göde. Frau Pfefferkorn, ich übertrage Ihnen die Sorge um meine Freundin. Sorgen Sie dafür, dass sie unbemerkt herausgeschafft und zu meinem Haus gebracht wird.« Damit hatte Lore alles gesagt, was ihr wichtig schien. Sie reichte Hede noch kurz die Hand und wollte die Treppe hinabsteigen.
Anton eilte ihr nach. »Sie können nicht durch das Bordell auf die Straße gehen! Kommen Sie, ich führe Sie durch die Hinterhöfe ins Freie.«
Maruhn hatte überlegt, ob er ebenfalls mitkommen sollte, sich aber dagegen entschieden. Bei dieser Verfolgung kam es auf Eile an, und er würde die Gräfin und Jürgen Göde nur behindern.
Drohend wandte er sich an den Fotografen. »Sie werden jede einzelne Ihrer Fotoplatten zerstören, die Sie hier belichtet haben, und dann unauffällig das Haus verlassen.«
Der Mann nickte und machte sich sogleich ans Werk, heilfroh, mit heiler Haut davonzukommen.
Hedes Gesicht glich einem gewitterschwangeren Julitag, denn sie wusste genau, dass dieses Schurkenstück nicht ohne tätige Mithilfe ihres Mannes geplant und durchgeführt worden sein konnte. Es tat weh, daran zu denken, und als sie sich vorstellte, was das für sie selbst und vor allem ihren Sohn bedeuten konnte, wurde ihr Gesicht vor Entsetzen grau.
»Was ist eigentlich geschehen?«, fragte Dorothea, die noch immer mit den Nachwirkungen der Betäubung kämpfte.
»Ein übles Schurkenstück, das Sie jedoch ohne schlimme Folgen überstanden haben«, erklärte Hede tonlos.
»Wo bin ich?«
Nach einem beredten Blick auf Hede übernahm Maruhn das Wort. »Sie sind entführt und in dieses Haus geschafft worden. Zum Glück habe ich ein paar der Schurken überwacht und konnte daher eingreifen. Aber entschuldigen Sie, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Mein Name ist Dirk Maruhn, Leutnant a.D. und Detektiv.«
Maruhn kontrollierte nun die Kameraausrüstung des Fotografen und übergab sie diesem erst, als er sicher war, dass weder eine Negativplatte noch Fotoabzüge der unbekleideten Damen vorhanden waren. »Sie können jetzt gehen!«
Der Mann, der mittlerweile ganz und gar nüchtern wirkte, ließ sich das nicht zweimal sagen, sondern raffte seine Ausrüstung an sich und verschwand über die Hintertreppe.
Maruhn wandte sich an Dorothea. »Wenn gnädige Frau erlauben, bringe ich Sie von hier weg.«
Dorothea nickte erleichtert. »Gerne! Ich glaube, meine Schneiderin, Mrs. Penn, wartet bereits auf mich.«
»Wo befindet sich deren Ladengeschäft?«, fragte Maruhn.
»Frau von Trettin sagte, Herr Maruhn
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