Juliregen
es auszusprechen, und sie spürte, wie ihr vor Enttäuschung Tränen in die Augen stiegen.
Ihr Mann hob in einer verzweifelten Geste die Hände. »Hede, ich schwöre dir, ich werde mich ändern! In Zukunft werde ich mich von Leuten wie Pielke fernhalten und dir der Mann und unserem Fritz der Vater sein, den du dir wünschst.«
»Dafür ist zu spät«, antwortete Hede so leise, dass Laabs sie nur mit Mühe verstand. »Sobald Pielke verhaftet wird – und das kann noch heute sein –, dürfte er auch deinen Namen nennen. Dann werden die Gendarmen kommen und dich festnehmen.«
Hede schüttelte es bei dieser Vorstellung, und sie starrte ihren Mann an, als wäre er ihr ärgster Feind. »Wenn das geschieht, wird unser Fritz mit dem Stigma aufwachsen müssen, der Sohn eines Zuchthäuslers zu sein!«
»Und was ist er jetzt? Der Sohn einer Hure!«, brach es aus Laabs heraus. Er trat auf Hede zu, um sie zu packen und so lange zu schütteln, bis sie ihm verzieh.
Da blickte er in die Mündung einer Pistole. »Er ist mein Sohn, und er soll unbelastet von den Sünden seines Vaters aufwachsen. Wäre Fritz nicht, würde ich keinen Finger für dich rühren, sondern zusehen, wie du verhaftet und verurteilt wirst. Doch dazu darf es nicht kommen.«
»Du hilfst mir also?« Laabs schöpfte Hoffnung, doch Hedes nächste Worte trafen ihn wie ein kalter Guss.
»Ich werde dir so viel Geld geben, dass du eine Zwischendeckspassage in die Neue Welt bezahlen und drüben die ersten Monate leben kannst. Als Gegenleistung erwarte ich von dir, dass du nie mehr zurückkommst und keinen Anspruch auf unseren Sohn erhebst. Letzteres wirst du mir schriftlich geben.« Mittlerweile hatte Hede sich wieder in der Gewalt, und ihre Stimme klang so kühl, als rede sie über ein gewöhnliches Geschäft.
Ihr Mann überlegte verzweifelt, wie er sich aus dieser üblen Klemme herauswinden konnte. Alles in ihm schrie, einfach davonzulaufen und ein paar Monate ins Land gehen zu lassen. Doch mit den paar Mark, die er in der Tasche hatte, würde er nicht weit kommen. Doch möglicherweise konnte er Hede überlisten, indem er das Geld von ihr nahm und vorerst nach Bayern oder Württemberg verschwand.
Noch während ihr Mann darüber nachsann, forderte Hede ihn auf, mit ihr nach unten zu kommen. Da sie nicht auf die Waffe verzichten wollte, legte sie einen Schal über den Arm, um die Pistole zu verbergen.
Laabs ging vor ihr her und bemühte sich, eine muntere Miene zu wahren. Lächelnd grüßte er ein paar der Mädchen und zog den Hut vor Rendlinger, der Hilma für den ganzen Abend geordert hatte und nun im Salon Champagner mit ihr trank. Der Industrielle beachtete ihn jedoch ebenso wenig wie das Mädchen.
Hede führte ihren Mann ins Büro, öffnete dort ihren Geldschrank und nahm ein Bündel Banknoten heraus. Als sie dieses auf den Tisch legte, zuckten ihre Lippen schmerzhaft.
»Ich kann mir denken, was dir durch den Kopf geht. Doch du wirst den Weg nach Amerika antreten. Daher werde ich dieses Geld auch nicht dir geben, sondern Anton. Er wird mit dir nach Hamburg fahren und die Passage für dich buchen. Das Geld erhältst du ein paar Minuten bevor das Schiff ablegt. Da die Polizei dich bereits suchen dürfte, soll Anton dir seinen Pass geben.«
»Das hast du dir alles fein ausgedacht«, entfuhr es Laabs. »Du hast alles, den Jungen, den Rang einer Ehefrau, das
Le Plaisir
, während ich …«
»Es hätte anders kommen können, doch das hast du dir selbst verbaut!« Hede nahm eine kleine Klingel und läutete.
Sofort kam eines der Mädchen herein. »Was wünschen Sie, Madame?«
»Schicke Anton zu mir!«
Spätestens in dem Augenblick wusste Manfred Laabs, dass ihm nichts anderes übrigbleiben würde, als auf die Forderungen seiner Frau einzugehen. Anton war Hede ergeben wie ein treuer Hund und würde ihm eher das Genick brechen und dafür ins Gefängnis gehen, als zuzulassen, dass seiner Herrin etwas zustieß. Mit verkniffener Miene musterte Laabs das Geldbündel und versuchte zu schätzen, wie viel es sein mochte. Wenn er sparsam damit umging, konnte er sich in Amerika vielleicht sogar an einem Gasthaus oder Bordell beteiligen. Sich als Farmer den Buckel krummzuarbeiten, hatte er keine Lust, und er wollte auch nicht für einen Hungerlohn in einer der Fabriken arbeiten. Um seine Chancen zu erhöhen, setzte er noch einmal seinen ganzen Charme ein.
»Leg doch bitte noch ein paar Scheine drauf. Denke an unseren Sohn! Du willst doch nicht, dass er einmal
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