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Juliregen

Juliregen

Titel: Juliregen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Bordell nichts erfahren.
    Aber er war mit dem jetzigen Besitzer gut Freund und kannte jedes Mädchen des Etablissements. Wortreich beschrieb er deren Vorzüge und steigerte auf diese Weise Ottwalds Lust, das Bordell aufzusuchen. Vorher aber drängte er ihn, in eine Revue zu gehen, in der hübsche Mädchen tanzten und dabei die Beine so hoch schwangen, dass man nicht nur ihre Schenkel, sondern auch ihre mit Rüschen verzierten Unterhosen sehen konnte.
    Klampt zahlte die Zeche, warf dem Kellner mit großer Geste ein halbes Markstück als Trinkgeld hin und verließ das Lokal mit erstaunlich sicherem Schritt. Tatsächlich wirkte er weniger betrunken als vorher, dafür aber sehr unternehmungslustig. Das bewies er auch sogleich, indem er einen bekannten Gassenhauer pfiff und sich über die Kleidung und Figur einiger Frauen lustig machte, die ihnen begegneten.
    Ottwald von Trettin hätte sich ein dezenteres Benehmen seines Zechkumpans gewünscht. Daher winkte er schließlich den Kutscher heran, der ihnen mit dem Landauer langsam gefolgt war, und bugsierte Klampt mit einiger Überredungskunst in den Wagen. Da der Kutscher auf sein Zeichen hin ein schnelles Tempo einschlug, hatte Ottwalds Begleiter keine Gelegenheit mehr, seine boshaften Bemerkungen anzubringen. Vor dem Varieté angekommen, stiegen sie aus und reihten sich in die Schlange vor der Kasse ein.
    »Es wäre besser gewesen, ich hätte die Karten vorher bestellt«, sagte Gerhard Klampt verärgert, während Ottwald überlegte, ob er seinen Stand als Landedelmann herauskehren sollte, um zur Kasse vorgelassen zu werden. Um kein Aufsehen zu erregen, wartete er dann doch geduldig, bis Klampt die Karten gekauft hatte. Dieser bestellte anschließend bei einem Kellner das angebotene Menü samt einer Flasche Wein und folgte einem Anweiser zu ihrem Tisch. Dort setzte er sich, schlug die Beine übereinander und grinste fröhlich.
    »Wenn man ein wenig Geld in der Tasche hat, kann man sich in Berlin schon so einiges leisten!«
    Ottwald schluckte den Ärger darüber hinunter, dass Klampt sich so benahm, als wäre er ein Neffe vom Land, der zum ersten Mal in die Großstadt gekommen war und nun in eine erregend neue Welt eingeführt werden sollte.
    Während die Männer aßen und einen akzeptablen Wein tranken, lauschten sie einem Sänger und einer Sängerin, die zu den Klängen einer Musikkapelle frivole Lieder zum Besten gaben. Gerhard Klampt fühlte sich in seinem Element und berichtete, dass die Sängerin ihm vor wenigen Wochen nach Abschluss der Vorstellung eine unvergessliche Nacht bereitet hatte.
    »War verdammt teuer! Da konnte ich auch etwas erwarten«, setzte er lachend hinzu. Herausfordernd sah er Ottwald an. »Na, wie ist es? Wollen wir warten, bis hier das Trottoir hochgeklappt wird, oder sehen wir zu, dass wir spätestens um zweiundzwanzig Uhr ins
Le Plaisir
kommen?«
    »Ich wäre fürs
Le Plaisir!
« Zum einen wollte Ottwald von Trettin diesen Tempel der Sinneslust, der seinem Onkel Fridolin beinahe zum Verhängnis geworden war, mit eigenen Augen sehen, und zum anderen war es ihm hier zu laut. Zunehmend störte ihn das rhythmische Klatschen, mit dem die Lieder von einem Teil der Gäste begleitet wurden.
    Tatsächlich drehten sich Ottwald von Trettins Gedanken immer stärker um Klampts angeheiratete Nichte, die Komtess Retzmann. Als alleinige Erbin eines riesigen Vermögens schien sie ihm die ideale Braut zu sein. Zudem wusste er, dass sie mit Fridolin und Lore von Trettin eng befreundet war. Also konnte er sicher sein, sie bald kennenzulernen und ihr Interesse zu wecken.
    An die Möglichkeit, dass sein Onkel ihn bei einer Werbung um Nathalia nicht unterstützen könnte, verschwendete er nur einen kurzen Gedanken. Auch war ihm der desolate Zustand, in dem Gut Trettin sich befand, keine Überlegung mehr wert. Er hatte nur noch das Ziel, so bald wie möglich reich zu werden, um sich eine andere Gesellschaft suchen zu können als Gerhard Klampt, der sichtlich damit zufrieden war, sein Taschengeld von der Erbtante sowie seine Gewinne aus Pferdewetten in Varietés und Bordellen zu verjubeln.
    Trotz der Verachtung, die er für Klampt empfand, klatschte Ottwald von Trettin Beifall, als eine junge Sängerin ein anzügliches Lied aus Frankreich sang, das mehreren Gästen zu frivol zu sein schien, denn es mischten sich laute Buhrufe unter den Applaus.
    »Was meinen Sie, Trettin, wollen wir nicht langsam unsere Zelte hier abbrechen und zum
Le Plaisir
fahren?«, fragte Klampt,

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