Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Juliregen

Juliregen

Titel: Juliregen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
Vom Netzwerk:
nachdem die Sängerin abgetreten war.
    Ottwald brachte es zunehmend auf, dass dieser Kerl so tat, als ständen sie auf der gleichen Stufe. Immerhin war er Freiherr und Besitzer eines großen Gutes und Klampt nur der bürgerliche Kostgänger einer wohlhabenden Tante. Dennoch nickte er zustimmend.
    Klampt zahlte ihren Verzehr, und als sie aufstanden, freuten sich zwei zu spät gekommene Herren, endlich einen freien Tisch zu finden.

XIII.
    M it seiner aufwendig gestalteten Fassade glich das
Le Plaisir
den anderen Häusern in dieser Straße. Weder gab es ein Schild, das auf das Bordell hinwies, noch zeigten sich leicht bekleidete Frauen hinter den Scheiben. Stattdessen waren die Fenster mit dicken Vorhängen verhängt, durch die kaum ein Lichtschein nach außen drang. Die Eingangstür wurde durch eine Straßenlampe erhellt und befand sich über einer kleinen Freitreppe. Da Ottwald von Trettin das Bordell nur aus Erzählungen kannte, wusste er nicht, ob es sich noch in demselben Gebäude befand wie vor fünf Jahren oder ob es wegen des damaligen Skandals umgezogen war.
    Der Gutsherr befahl dem Kutscher, dem die Müdigkeit anzusehen war, hinter der nächsten Straßenecke auf sie zu warten, und folgte Gerhard Klampt, der bereits den Zug der Türglocke betätigt hatte. Keine fünf Sekunden später schwang die Tür auf, und sie sahen sich einem älteren Mann gegenüber, dessen Uniform an ausländisches Militär gemahnte.
    »Ah, der liebe Herr Klampt! Treten Sie doch ein. Sie haben heute einen Freund mitgebracht?« Anton, der Türhüter des Bordells, musterte Ottwald von Trettin mit einem prüfenden Blick und ordnete diesen als kleinen Landedelmann ein, der in der Hauptstadt etwas erleben wollte. Zwar fragte er sich, wie dieser in Klampts Gesellschaft geraten war, weil dieser sich normalerweise nicht in gehobenen Kreisen bewegte und nur Manfred Laabs’ wegen, dem Ehemann der Chefin, geduldet wurde. Doch er begrüßte beide Männer höflich und ließ sie ein.
    Das also ist der Sündentempel, der Onkel Fridolin beinahe zum Verhängnis geworden wäre, durchfuhr es Ottwald von Trettin, als er durch den schlichten Vorraum auf die Tür zum Empfangssalon zuging. Dort umfing ihn eine andere Welt. Die Tapeten an den Wänden waren in einem sanften Rot gehalten, ebenso die bequemen Ottomanen, auf denen hübsche Mädchen in knappen, flitterbesetzten Kleidern sich um die anwesenden Herren bemühten.
    Schräg gegenüber der Eingangstür befand sich ein Tisch mit roter Tischdecke, um den vier Polsterstühle standen, von denen nur einer besetzt war. Der Mann, der dort saß, erhob sich bei Gerhard Klampts Eintritt und begrüßte ihn freudig.
    Die braunen Hosen und die dunkelrote Weste gaben ihm das Aussehen eines kleinen Geschäftsmanns. Nur trugen solche keine mit Halbedelsteinen besetzten Ringe an drei Fingern der rechten Hand. Auch wirkte die schwere, goldene Uhrkette viel zu protzig. Der Mann war von mittlerer Größe, schlank und hatte ein hübsches, in Trettins Augen aber zu weichlich wirkendes Gesicht. Sein Alter schätzte der Gutsherr auf knapp unter vierzig.
    »Und wen haben wir denn da?« Nachdem Manfred Laabs seinen Freund Klampt begrüßt hatte, wandte er sich dessen Begleiter zu. Im ersten Augenblick hatte er angenommen, es handelte sich um einen dem mittleren Bürgertum entstammenden Angestellten, der bei den Pferdewetten in Hoppegarten genug Geld gewonnen hatte, um sich eine Nacht in einem Nobelbordell leisten zu können. Bei näherem Hinsehen musste er seine Ansicht revidieren. Dieser Gast mochte vielleicht nicht nach der neuesten Mode gekleidet sein, doch der edle Zwirn und die Haltung des Mannes wiesen auf einen Landadligen hin.
    Mit einem Blick, der seinem Gegenüber zeigen sollte, dass er sich Vertraulichkeiten verbat, stellte der Gutsherr sich vor. »Ich bin Freiherr Ottwald von Trettin auf Trettin!«
    »Trettin! Doch nicht etwa ein Verwandter des Grafen Trettin?«, rief Laabs erstaunt und streckte Ottwald die Rechte hin. »Seien Sie mir willkommen!«
    Über Ottwald von Trettins Nasenwurzel erschien eine scharfe Kerbe. »Sie kennen meinen Oheim?«
    »Aber ja doch! Früher war er sozusagen ein Stammkunde in diesen Hallen. Jetzt kommt er leider ein wenig seltener.« Manfred Laabs strahlte den Gutsherrn dabei so an, als hätte dieser ihm mit seinem Erscheinen eine große Freude bereitet.
    »Kommen Sie, setzen Sie sich zu mir und trinken ein Glas Wein mit mir!«, forderte er Ottwald von Trettin auf.
    »Eigentlich bin ich

Weitere Kostenlose Bücher