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Juliregen

Juliregen

Titel: Juliregen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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passablen Schneiderin gefertigt worden.
    Dies zu sagen hütete Ottwald sich jedoch. »Ich habe das Haus meines Onkels gesehen. Sehr feudal, wohl wahr! Er muss als Bankier etliche Leute geschröpft haben, um sich das leisten zu können.«
    »Ich sage Ihnen, das ist von dem Geld meiner armen Großnichte gekauft worden, welches dieser Mann sich angeeignet hat. Nathalia ist sehr reich, aber viel zu jung, um solche Nattern durchschauen zu können. Sowohl Thomas Simmern in Bremen wie auch Ihr Verwandter, der Bankier, haben unsere arme Verwandte ausgenützt, um selbst Reichtümer anzuhäufen. Wenn ich nur einen Beweis in Händen hätte, würde ich gegen diese gierige Bagage vorgehen. Wir leben hier in schlimmster Armut, während diese Menschen sich den größten Luxus leisten können. Die Welt ist wirklich ungerecht! Ihre Mutter wird Ihnen sicher bereits berichtet haben …« Ermingarde hob, schier ohne Luft zu holen, zu einem weiteren Vortrag über die üble Lage an, in der sie sich angeblich befand.
    Mit der Zeit verlor Ottwald von Trettin die Geduld und wollte sich verabschieden. Da wurde die Tür geöffnet und ein hagerer Mann mit aufgedunsenem Gesicht trat ein, der knapp unter fünfzig sein mochte. Er musterte Ottwald kurz und streckte ihm dann erfreut die Hand entgegen.
    »Sie sind also Ottokar von Trettins Sohn. Willkommen in diesem Haus! Sie sehen Ihrem Vater sehr ähnlich. Er war ebenfalls von solch imponierender Gestalt. Obwohl ich nur für wenige Tage das Vergnügen hatte, ihn kennenzulernen, kann ich mit Fug und Recht behaupten, sein Freund gewesen zu sein.«
    Das ist also Gerhard Klampt, fuhr es dem Gutsherrn durch den Kopf. Die Schmeicheleien des Mannes nahm er nicht ernst. Schließlich wusste er, dass er weder die vierschrötige Gestalt seines Vaters noch dessen rundliches, fast immer gerötetes Gesicht geerbt hatte. Ottwald von Trettin war stolz auf seine schlanke Erscheinung und das relativ hübsche Gesicht, welches ihm bei den Damen zugutekam. Gegen den mit abfallenden Schultern und einer fortgeschrittenen Stirnglatze geschlagenen Gerhard Klampt glich er gar einem Adonis.
    Ottwald musste sich ein spöttisches Lächeln verkneifen, als er diesem die Hand reichte. »Sehr angenehm! Ich hoffe, Sie gönnen auch mir die Freundschaft, die Sie meinem Vater erwiesen haben.«
    »Aber selbstverständlich!«, erklärte Gerhard Klampt und bedachte den Tisch, der bis auf die Weinkaraffe und Ottwalds Glas leer war, mit einem missbilligenden Blick.
    »Frau Mama, Armgard, ihr hättet Herrn von Trettin doch einen kleinen Imbiss vorsetzen können!«
    Ermingarde Klampt schnaufte grimmig. »Es ist noch nicht Essenszeit. Daher hätten wir unserem Gast höchstens Kuchen anbieten können. Doch das ungenießbare Zeug, das unsere Verwandte ins Haus bringen lässt, wollte ich ihm wirklich nicht zumuten.«
    »Ihr hättet ja etwas anderes kaufen können!«, antwortete ihr Sohn und zog einen Schmollmund.
    »Wie denn? Unsere Verwandte Fabarius, auf deren Mildtätigkeit wir angewiesen sind, hat uns verboten, ein Dienstmädchen zu halten, und ihr eigenes ist so ungefällig, dass es sich weigert, etwas für uns zu besorgen. Soll ich etwa Armgard in eine Konditorei schicken, um dort Kuchen zu kaufen?«
    Während Ermingarde ihrem Unmut Luft machte, lächelte ihr Gast und schwieg. Offenbar versuchten die Klampts verzweifelt, etwas Besseres darzustellen. Dabei war die Stellung, die diese Frau und ihre beiden Kinder derzeit in der Gesellschaft einnahmen, völlig unbedeutend, und die Tochter würde sich nichts vergeben, wenn sie selbst einkaufen ging. Aber das war nicht seine Sache. Er trank den Wein aus und wollte sich eben verabschieden, als Gerhard ihn ansprach.
    »Hätten Sie Lust, mich auf ein Glas Bier in die Stadt zu begleiten, Herr von Trettin? Mir ist danach, ein Eisbein zu essen, denn ich habe heute Mittag nur eine Kleinigkeit zu mir genommen.«
    Dafür umso mehr getrunken, dachte Ottwald, der die Alkoholfahne seines Gegenübers nun deutlich wahrnahm. »Aber gerne«, antwortete er, da er von Gerhard Klampt mehr über seinen Onkel und dessen kometenhaften Aufstieg zu einem schwerreichen Bankier zu erfahren hoffte. Vielleicht kannte Klampt sogar die Namen einiger Erbinnen, von denen sich eine als Gutsherrin auf Trettin eignen würde. So freundlich, als wäre er heute nicht zum ersten Mal zu ihnen gekommen, sondern bereits ein lieber Gast, verabschiedete er sich von den beiden Frauen und folgte Gerhard Klampt nach unten.
    Auf der Straße

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