Juliregen
Gedanken verstrickt.«
»In angenehmen, wie mir scheint. Das sehe ich dir an.« Nathalia lachte ebenfalls, begrüßte Volkmar Zeeb, den Verwalter ihres Gutes, und wandte sich dann dem Kutscher zu. »Na, Drewes, wie geht es der Stute, die zu Ostern so krank war?«
Der Mann starrte sie mit großen Augen an. »Das wisst Ihr noch, gnädige Komtess? Dabei soll es doch in Berlin so viel zu erleben geben!«
»Warum sollte ich das vergessen? Immerhin hast du mir versprochen, auf Frühlingsmaid zu achten wie auf deinen Augapfel. Da will ich doch wissen, ob es ihr gutgeht«, antwortete Nathalia fröhlich.
»Freilich geht es ihr gut! Sie ist damals rasch wieder gesund geworden.«
»Dank des neuen Tierarztes, der sich in dieser Gegend niedergelassen hat«, warf der Verwalter ein, der das Feld nicht dem Knecht überlassen wollte.
Drewes schüttelte missbilligend den Kopf. »Jo, der Doktor hat ein paar Mittel verschrieben, aber das allein hätte Frühlingsmaid auch nicht gerettet. Da muss man schon ein paar Kräuter nehmen, aufkochen und den Sud mit ganz bestimmten Worten dem Tier einflößen, damit es wieder auf die Beine kommt!«
Der Verwalter sah seine junge Herrin mit einem Blick an, der deutlich machte, was er von dem Aberglauben des Kutschers hielt, und öffnete ihr eigenhändig den Schlag. »Wollen die Damen vorher noch in den Ort gebracht werden oder gleich nach Steenbrook fahren?«
»Wir haben uns für das Gut entschieden. Dort kommt sicher gleich etwas Leckeres auf den Tisch, und wir wollen die Köchin nicht verärgern, indem wir uns hier satt essen.«
Nathalia stieg mit einem strahlenden Lächeln in den Wagen und rückte zur Seite, damit Lore neben ihr Platz nehmen konnte. Das Kindermädchen reichte dieser Doro hoch, da die Zweijährige während der Fahrt leichter zu bändigen war als Wolfi, und ging zu dem zweiten Wagen. Nele und Nathalias stille Zofe Christa kontrollierten zuerst die Dienstleute, die das Gepäck auf das Fuhrwerk luden, und stiegen dann ebenfalls in die Kutsche.
Fridolin hatte noch ein paar Worte mit dem Bahnhofsvorsteher gewechselt und erfahren, dass Grünfelder und Dohnke nicht übertrieben hatten. Klingenfeld befand sich tatsächlich nur zwei Stationen entfernt und konnte auch leicht mit dem Wagen erreicht werden.
Zufrieden mit dieser Auskunft gesellte er sich zu Lore und Nathalia und bat den Verwalter, ihm gegenüber Platz zu nehmen.
Volkmar Zeeb sah ihn mit einer um Entschuldigung bittenden Geste an. »Bedauerlicherweise bin ich zu Pferd gekommen und kann den Wallach schlecht am Zügel neben dem Wagen laufen lassen.«
»Das können Sie natürlich nicht. Aber wenn wir auf Steenbrook angekommen sind, würde ich gerne mit Ihnen reden. Ich hoffe, Sie haben ein wenig Zeit für mich.«
»Selbstverständlich, Herr Graf!« Der Mann deutete eine kurze Verbeugung an, ging dann mit festen Schritten zu dem Pfosten, an dem sein Pferd stand, und band es los. Noch während er sich in den Sattel schwang, trieb Drewes die beiden prachtvollen Rappen vor der Kutsche an und bog auf die Straße ein, die zu Nathalias Gut führte.
I.
S teenbrook lag inmitten ausgedehnter Wiesen und Felder etwa zwei Kilometer von der nächsten Ortschaft entfernt. Waren die Wirtschaftsgebäude wie in dieser Gegend üblich als mächtige Hallenhäuser mit Wänden aus dunkelroten Klinkerziegeln und tiefgezogenen Krüppelwalmdächern aus Reet errichtet worden, wirkte das Herrenhaus wie aus italienischen Landen an diesen Ort versetzt, denn es war im Palladio-Stil mit flachem Dach und von Säulen getragenen Balkonen erbaut worden.
Vor der Freitreppe, die von zwei auf den Hinterpfoten stehenden Steinlöwen flankiert wurde, hatte sich das Gesinde eingefunden, um die Herrin zu begrüßen. Zuvorderst stand der Gutsinspektor, ihm folgten die Eleven, zwei junge, attraktive Männer. Von diesen behauptete die Köchin Gertrud, ihre Väter hätten sie in erster Linie hierhergeschickt, um die Komtess zu beeindrucken. Da die beiden gute Arbeit leisteten, hofften einige auf dem Gut sogar, Nathalia würde an einem der Jünglinge Gefallen finden. Einen arroganten Preußen mit schnarrendem Tonfall wollte keiner als neuen Herrn haben. Hier hatte niemand vergessen, dass sie vor gut zwei Jahrzehnten noch zum Königreich Hannover gehört hatten und nur durch Eroberung an Preußen gefallen waren.
Die Abneigung gegen das Königreich Preußen und seine Bewohner richtete sich jedoch nicht gegen die Gäste der Komtess. Lore hatte ihre Ferien bereits
Weitere Kostenlose Bücher