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Juliregen

Juliregen

Titel: Juliregen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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beruhigte sie sich wieder und betrachtete in Ruhe das Herrenhaus und die Wirtschaftsgebäude. Diese befanden sich in einem halbwegs guten Zustand, und sie sagte sich, dass es ihr wenig Mühe bereiten würde, hier einzuziehen. Aber als ihr Blick über die Wiesen und Felder schweifte, stellte sie fest, dass dort seit etlichen Wochen nichts mehr getan worden war. Auch gab es keine Kühe und Pferde auf den Weiden. Leicht würde es nicht werden, dieses Gut wieder aufzurichten, sagte sie sich, und sie zweifelte daran, dass Fridolin und sie die Richtigen dafür waren. Im Grunde wussten sie viel zu wenig von den Belangen der Landwirtschaft.
    Dann aber entdeckte sie hinter einer Doppelreihe noch recht junger Bäume die halbfertigen Gebäude der geplanten Konservenfabrik. Mit einem Mal war sie davon überzeugt, dass es Fridolin gelingen würde, hier etwas Großes aufzubauen.
    Als Lore den Wallach auf dem Vorplatz anhielt, stachen ihr die Unterschiede zu Nehlen und Steenbrook noch stärker ins Auge. Die Fenster des Herrenhauses waren verhüllt, aus dem Stall drang kein Laut, und bei den wenigen Fuhrwerken, die in der Remise standen, hatten die Eisenringe der Räder Rost angesetzt.
    »Das sieht alles sehr vernachlässigt aus«, sagte Jürgen verwundert.
    »Weniger vernachlässigt als verlassen«, entgegnete Nathalia und rief: »He! Ist da jemand?«
    Es dauerte eine Weile, dann wurde die Tür des Herrenhauses geöffnet, und eine alte Magd steckte den Kopf heraus. »Was wollt ihr denn hier? Verschwindet! Hier gibt es nichts zu gaffen!«
    »Gute Frau, wir sind zufällig vorbeigekommen und haben Durst. Könnten wir eintreten und einen Schluck Wasser bekommen?« Lore hatte gehofft, auf diesem Weg ins Haus zu gelangen, doch die Magd schüttelte den Kopf.
    »Der Brunnen ist dort hinten. Pumpen müsst ihr selbst, und zum Trinken müssen euch eure Hände reichen. Und damit auf Nimmerwiedersehen!«
    Während die Magd die Tür ins Schloss warf, begann Nathalia zu kichern. »Die wird sich wundern! Aber ich glaube, ich werde dir einige Leute von meinem Gut mitgeben. Sonst musst du dein Wasser wirklich selbst pumpen und aus den Händen trinken.«
    Lore seufzte und schüttelte den Kopf. »Ist es nicht seltsam, dass Leute ihr Hab und Gut so zugrunde gehen lassen?«
    »Sei froh! Allein deswegen kommt Klingenfeld in deinen und Fridolins Besitz. Hast du genug gesehen, oder sollen wir absteigen und ein wenig umhergehen?« Nathalia wollte eben den Wagen verlassen, da hörten sie jemand brüllen.
    »Verschwindet, Gesindel! Sonst brenne ich euch eine Kugel auf den Pelz!«
    Die Tür des Verwalterhauses stand nun offen, und ein schwer gebauter Mann taumelte mit einer Büchse unter dem Arm heraus. Noch während er drohte, richtete er die Waffe auf den Wagen und schoss.
    Nathalia hörte die Kugel an ihrem Kopf vorbeipfeifen und zuckte erschrocken zusammen. Doch bevor der Mann den zweiten Lauf abfeuern konnte, gab Jürgen seinem Hengst die Sporen, stürmte auf den schießwütigen Verwalter zu und entriss ihm das Gewehr. Der Mann wollte die Waffe festhalten, wurde aber umgerissen und stürzte zu Boden.
    »Das wirst du mir büßen, du Mistkerl!«, schrie er und kämpfte sich schwankend auf die Beine.
    Jürgen hatte unterdessen genug zu tun, seinen Hengst zu bändigen. Die Büchse war ihm dabei im Weg und er wollte sie schon fallen lassen. Dann aber dachte er daran, dass der Verwalter die Waffe packen und erneut schießen konnte. Daher lenkte er den Hengst unter Aufbietung aller Kräfte auf das Gig zu und streckte Nathalia die Waffe hin.
    »Können Sie sie mir abnehmen? Ich brauche beide Hände für mein Reittier.«
    »Das sehe ich«, antwortete Nathalia und packte das Gewehr. Dann sah sie Lore an. »Es ist besser, du nimmst das Ding und gibst mir die Zügel. Ich habe das Gefühl, wir sollten den Rückzug antreten, bevor der Feind sich neu bewaffnen kann!«
    Da der Verwalter eben unter wüsten Drohungen ins Haus wankte, gab Lore gerne die Zügel preis und hielt sich mit einer Hand am Wagen fest, während sie mit der anderen die Büchse packte.
    Diesmal ließ Nathalia die Peitschenschnur nicht nur über dem Wallach knallen, sondern versetzte diesem auch noch einen Hieb auf das wuchtige Hinterteil. Sofort zog das Tier an und fiel in einen so schnellen Trab, dass Jürgen ihnen nicht folgen konnte.
    »Kannst du dich umsehen, ob Herr Göde im Sattel bleibt? Nicht, dass der Hengst ihn abwirft und dieser üble Kerl ihn erschießt«, bat Nathalia, die ihr ganzes

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