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Julischatten

Julischatten

Titel: Julischatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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beherbergen. Zu ebener Erde gab es einen separaten Eingang, daneben eine Bank mit einem Tisch. In den großen Fenstern zu beiden Seiten der Tür sah Sim Plakate und Traumfänger in verschiedenen Größen.
    Eine Holztreppe führte zu einer kleinen Veranda und zum oberen Eingang – vermutlich in den Wohnbereich. Die dunkelroten Vorhänge hinter den Fenstern waren zugezogen.
    Zwei alte Autos, eine graue Limousine und ein roter Sportwagen mit eingedellter Fahrertür und einem weißen Blitz auf der Motorhaube, parkten vor dem Trailer. Weiter hinten stand ein rostiger Pferdeanhänger, der einmal blau gewesen war. Ein paar Meter unterhalb des Trailers vervollständigten ein Schuppen und eine kleine Blockhütte (die vermutlich noch aus der Goldgräberzeit stammte) das Gebäudeensemble.
    Der Hügel hinter dem Wohnhaus musste der Horse Hill sein, nach dem Tante Jo ihre Residenz und den Laden benannt hatte. Hinter einem Drahtzaun entdeckte Sim Pferde, große Tiere, die mit den Köpfen nickten, als wollten sie die Ankömmlinge begrüßen.
    Sim schluckte. Das war alles. Pferde, Katzen, eine trächtige Hündin. Es gab keine Nachbarn, keinen Baum, keinen Strauch. Die Blumen im Steingarten vor dem Haus schienen um ihr Überleben zu kämpfen. Tante Jo wohnte tatsächlich in einer absoluten Einöde. Sim fragte sich, wie sie es hier sechs lange Wochen aushalten sollte, ohne einen Koller zu kriegen.
    In diesem Moment sprang die Ladentür auf und ihre Tante kam mit langen Schritten auf sie zu. Jo war braun gebrannt und hager, die kurzen braunen Haare von silbernen Fäden durchzogen. Sie trug Jeans und ein dünnes kariertes Hemd über dem weißen T-Shirt. Mit einem strahlenden Lächeln auf dem Gesicht streckte sie ihre Männerhände nach Sim aus.
    »Mona«, sagte sie und erdrückte Sim fast in ihrer Umarmung. Unwillkürlich zog sie ihre Schultern hoch und versteifte sich. Mona, so hatte Merle sie genannt, als sie geboren wurde und ihre damals dreijährige Schwester ihren Namen nicht richtig aussprechen konnte. Manchmal hatten auch ihre Eltern und Großeltern sie Mona gerufen, aber Sim mochte diese Abkürzung nicht. Mona klang brav und altmodisch. Sim passte viel besser zu ihr.
    Jo schob ihre Nichte auf Armeslänge von sich und musterte sie. »Gut siehst du aus«, rief sie voller ehrlicher Begeisterung.
    Sim warf einen verstohlenen Seitenblick auf Lukas und Jimi. Lukas verzog keine Miene, aber Jimi grinste übers ganze Gesicht. Idiot, dachte sie.
    »Jungs, habt vielen Dank, dass ihr eingesprungen seid«, wandte sich Jo an die beiden, »ihr habt was gut bei mir.« Sie drückte Jimi ein paar Dollarscheine in die Hand. Er schob sie mit einer lässigen Geste in die Gesäßtasche seiner Jeans und bedankte sich. Jo sprach gerade eine Einladung zum Abendessen aus, als das lang gezogene Heulen eines Wolfs ertönte. Es kam aus Jimis Hosentasche. Juniper spitzte die Ohren.
    Jimi kramte sein Handy hervor, hielt es ans Ohr und entfernte sich ein paar Schritte. Sim sah ihm nach. Das war wirklich der freakigste Klingelton, den sie je gehört hatte.
    Nach zwei Minuten kam Jimi zu ihnen zurück. »Sorry«, sagte er, »aber ich habe noch was zu erledigen.«
    Trotz Sonnenbrille (er trug sie immer noch, obwohl die Sonne sich längst verabschiedet hatte) bemerkte Sim ein Aufflackern von Enttäuschung im Gesicht von Lukas.
    »Ich hoffe, die beiden haben dich gut unterhalten?« Jo zwinkerte Sim zu.
    Sie zuckte betont gleichgültig mit den Achseln.
    »Wir müssen los«, sagte Jimi. »Man sieht sich.« Er legte Lukas eine Hand auf die Schulter, was offensichtlich Nichts wie weg hier bedeutete.
    »Bis bald.« Lukas hob eine Hand zum Gruß und lächelte.
    »Bye«, sagte Sim.
    Jimi schob seinen Freund zu dem alten roten Sportwagen mit dem weißen Blitz über der Motorhaube, der vor dem Trailer parkte. Anscheinend war Jimi derjenige, der bei den beiden das Sagen hatte.
    »Und denkt daran, ich brauche euch zum Heumachen«, rief Jo ihnen nach. »Möglichst bald.«
    Sie stiegen in den Wagen und fuhren davon. Sim blickte ihnen nach. Über die Heckscheibe von Jimis Flitzer zog sich ein Spinnennetz aus feinen Rissen.
    »Sind die beiden eigentlich schwul?«, wandte sie sich an ihre Tante. Das würde immerhin erklären, warum Jimi und Lukas die Finger nicht voneinander lassen konnten.
    Jo warf den Kopf in den Nacken und begann, laut und herzhaft zu lachen. »Oh nein, ganz sicher nicht.« Wieder lachte sie, bis ihr die Tränen kamen. »Aber falls du versucht haben solltest,

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