Julius Lawhead 2 - Flammenmond
bis sie in der Ferne hinter einer Erhebung verschwand.
Brandon hatte mit Red Deer gebetet und gesungen, bis seine Seele leichter geworden war und Coes Schatten nicht mehr in jedem Winkel lauerte. Die Hitze in der Schwitzhütte war wie reinigendes Feuer. Sie brannte den alten Meister mit dem Element aus seinem Leib, das er in seiner Existenz am meisten gefürchtet hatte und das ihm am Ende zum Verhängnis geworden war.
Als Takoda nun die kleine Handtrommel zur Seite legte und ihn aus seinen weisen Augen betrachtete, empfand Brandon keine Scheu mehr, über das Erlittene zu sprechen.
»Es gibt noch etwas, das deine Seele bedrückt«, sagte Red Deer, nachdem Brandon geendet hatte. Da berichtete er dem Alten von dem Mord, den er in der Tankstelle begangen hatte, und auch warum er es getan hatte. »Ich wollte sterben, ich weiß, es ist Sünde.«
»Nichts ist Sünde, junger Freund«, erwiderte Red Deer ruhig. »Auf dieser Erde sind wir nur eine kurze Weile, womöglich war es ihr Schicksal.«
»Mir ist nicht mehr viel Zeit gegeben. Die Jägerin wird kommen und mich für mein Vergehen richten. Ich bin hier, weil ich hoffte, dass du mir helfen wirst, meine Seele auf die Reise vorzubereiten.«
»Das kann ich tun«, erwiderte Red Deer und nickte langsam. »Aber ich sehe deinen Tod nicht vor mir.«
Brandon starrte ihn überrascht an und wischte sich den brennenden Schweiß aus den Augen. »Sie wird mich nicht hinrichten?«
Der alte Schamane zuckte mit den Schultern. »Die Visionen zeigen nur Ausschnitte, wie Bruchstücke eines Spiegels, die immer neu zusammengelegt werden können. Vielleicht kommt diese Jägerin, vielleicht kommt sie nicht, vielleicht werde ich morgen vom Blitz erschlagen. Träume schicken nicht immer Antworten, viel häufiger sind es Fragen oder Bilder, die wir nicht verstehen.«
»Ich sollte Julius erzählen, was ich getan …«
Red Deer nahm die Trommel wieder auf, schloss die Augen und sang. Brandon starrte ihn einen Augenblick an, dann zog ihn die Melodie mit sich und die fremden Worte tropften aus seinem Mund. Red Deers Medizin war stark. Sie zog ihn fort von Schuld und Scham und Coes ewigem Schatten.
Als mich Red Deer rief, hatten sich der gelbe und der schwarze Hund längst neben mir zusammengerollt. Ich fischte ein paar Steine aus der Kohle und trug sie zur Hütte.
Der nach Osten ausgerichtete Eingang war von einem Ziegenfell verhangen. Ich schob es zur Seite und kroch hinein. Der Dampf war schwer und kochend heiß, und ich hatte augenblicklich das Gefühl, zu ersticken. Scharfer Kräutergeruch stieg von der Haut der beiden Männer auf und mischte sich mit ihrem Schweiß. Im Sternenlicht, das durch die Tür hineinfiel, erkannte ich ernste Gesichter. Brandon wirkte ruhig und gefasst.
Red Deer bedeutete mir, mich rechts herum zu bewegen, anstatt auf kürzestem Weg zu der kleinen Senke, die in der Mitte der Hütte lag und die Steine beherbergte. Ich reichte ihm die Geweihschaufel mit den heißen Lavabrocken, und er gab mir dafür die erkalteten, damit ich sie wieder ins Feuer legen konnte.
Zwischen uns fiel kein einziges Wort.
Das spärliche Licht reichte, um alles in mich aufzunehmen. Die Hütte bestand aus zusammengebundenen Weidenästen, die mit Stoff und Leder abgedeckt waren. Hier und da baumelten Tabakblätter an roten Bändern herab. Die Äste, die das Dach trugen, wiesen in die vier Himmelsrichtungen, in den Winkeln hingen bunte Bänder, die diese kennzeichneten.
Red Deer stieß mich an. Ich sollte gehen. Und Brandon? Der blickte an mir vorbei auf die Brust des alten Schamanen, und dann bemerkte ich, was ihn so faszinierte. Die Hitze in der Schwitzhütte hatte ein Narbengeflecht zum Erröten gebracht. Es sah aus, als sei die Haut von Klauen zerfetzt worden. Das waren sicher Sonnentanznarben.
Red Deer fasste mich energisch am Arm und wies zur Tür.
Ich verließ die Hütte und wurde sofort von der trockenen Kälte der Nacht umfangen. Mit wenigen Schritten trat ich wieder in die Wärme des Feuers und setzte mich neben die Hunde, die nicht einmal aufblickten. Mit einem lauten Zischen begrüßte das Feuer die Steine. Ich schob sie tief in die Kohlen und lehnte mich zurück. Verärgerung darüber, hinausgeschickt worden zu sein, wollte nicht aufkommen.
Ich hatte einen Blick in eine andere Welt geworfen, doch es war nicht meine Welt. Ich bezweifelte, ob es Brandons Welt war, aber mir war alles recht, was ihm half, das Geschehene zu überwinden.
KAPITEL 31
Coe schrie und schrie.
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