Julius Lawhead 2 - Flammenmond
weder Christina noch Curtis ihren Glauben verloren.
Es gab eine Leere in mir, die wahrscheinlich nur ein Gott füllen konnte. Eine Zeitlang hatte Curtis dieser Punkt in meinem Herzen gehört, jetzt nicht mehr. Ich legte den Kopf in den Nacken.
Über mir funkelte die Milchstraße. Abermillionen Welten warteten dort oben, bereit, entdeckt zu werden. Aber vielleicht sollten die Christoph Columbus’ dieser Erde ihre Häfen nicht verlassen, und fremde Strände fremd sein lassen.
Andere Götter waren mitunter nicht so gnädig wie die irdischen.
In der Schwitzhütte waren leise Gespräche an die Stelle der Gebete getreten. Hin und wieder stockte Brandons Redefluss. Er suchte nach Worten. Er hatte selten Gelegenheit, die Sprache seiner Ahnen zu benutzen.
Das Feuer war heruntergebrannt.
Ich legte Holz nach und beobachtete, wie die Kohlen zu neuem Leben erwachten und ihre gierigen gelben Hände nach oben reckten. Eine kleine Spinne lief auf dem Scheit hin und her und verglühte in einem einzigen Augenblick. So schnell war ein Leben ausgelöscht. Ein kurzes Aufleuchten und dann nichts mehr.
Der Anblick dieses kleinen Todes ließ mich seltsam berührt zurück.
In diesem Moment bedauerte ich die Spinne mehr als ei nen Menschen oder Vampir, der irgendwo starb. Warum war das so?
Ich starrte in die Flammen, die die Rinde vom Holz schälten und Funkensterne zum Himmel schickten, und klärte meine Sinne.
Es war schön, einfach hier zu sitzen und nachdenken zu können. Wie sehr hatte ich die Einsamkeit vermisst. Seit meiner Befreiung aus dem Sarg hatte ich keinen Moment mehr für mich gehabt, keinen Augenblick allein.
Ich lauschte der Nacht. Grillen zirpten, hier und da huschten Tiere auf versteckten Pfaden. Schon vor einer ganzen Weile hatte ich eine kleine Wüsteneule bemerkt, die auf ihren viel zu langen Beinen umherrannte und nach Insekten schnappte, die der Feuerschein angezogen hatte.
Red Deers Hunde schlichen in der Nähe herum. Ich fühlte ihre Lebensenergie wie flackernde Lichter. Sie fürchteten mich. Sie fürchteten alle Vampire, denn wir waren größere und gemeinere Raubtiere als sie.
Heute Nacht wollte ich nicht gefürchtet werden, und die Tiere spürten es. Einer nach dem anderen verließen sie ihr Versteck und kamen zu mir an das Feuer.
Amber lag wach. Ihr Verstand sprang zurück zu dem Moment, als ihr Conway die Tür geöffnet hatte. Dann lief immer der gleiche Film ab, verstärkt durch splitterhafte Bruchstücke von Brandons Folter.
»Oh Gott!« Sie presste die Finger auf ihre Schläfen.
Wenn sie es doch nur nicht getan hätte! Was hatte sie nur dazu gebracht? Das konnte doch nicht wirklich sie gewesen sein!
Sie wälzte sich von einer Seite auf die andere, dann gab sie auf. Keine Chance, sie würde nicht einschlafen. Dann konnte sie genauso gut aufstehen. Amber wickelte sich die Decke um die Schultern und lief zur Tür.
Als sie diese öffnete, blickte sie in Christinas verstörtes Gesicht. Sie hatte auf den Stufen gesessen.
»Kannst du nicht schlafen?«, fragte Christina und rutschte ein Stück zur Seite.
Amber schüttelte den Kopf. »Nein. Und du?«
Christina atmete tief durch. »Ich warte.«
Amber setzte sich neben ihre Freundin und legte ihr einen Arm um die Schulter. Die junge Vampirin fühlte sich an, als sei sie aus Stein gemeißelt. Jede Faser in ihrem Körper war angespannt. Ihre Kiefermuskeln traten deutlich hervor, und Amber glaubte, ihre Zähne unter der Gewalt, mit der sie sie aufeinanderpresste, knirschen zu hören.
»Ich würde ihm so gerne beistehen, aber ich kann nicht! Er war immer für mich da, immer. Und jetzt hocke ich hier und fühle mich so verdammt nutzlos!« Sie seufzte und rieb sich über das Gesicht. »Wenn ich doch wenigstens noch seine Dienerin wäre, dann könnte ich ihm durch die Siegel helfen, aber so … Er schottet sich völlig ab.«
»Ich bin sicher, dass ihm deine Nähe guttut, Chris.«
»Klar, und deshalb muss ich hierbleiben, während Julius und dieser Red Deer bei ihm sind.« Christina berichtete kurz von der Schwitzhüttenzeremonie und dass der Alte ihr gesagt hatte, sie dürfe nicht einmal in die Nähe kommen. Zornig ballte sie ihre Hände zu Fäusten und sprang auf.
»Chris, wo willst du hin?«
»Ich weiß nicht, einfach laufen. Begleitest du mich?«
Amber musterte ihre Freundin. »Nein, ich leg mich hin und versuche noch mal zu schlafen.«
»Viel Glück.«
Amber sah Christina nach, die mit verschränkten Armen und gekrümmten Rücken davonging,
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