Jung genug zu sterben
lautet ihr Passwort bestimmt nicht
Schneewittchen
.
Glücklicherweise hatte sich das Institut vor geraumer Zeit eine Strategie der Eigensicherung zugelegt. Das Problem waren die häufig wechselnden Praktikanten. Sie alle hatten fest zugewiesene Speicherräume für ihre Daten, aber einige legten eigene Ordner an, in denen sie die obligaten Computerspielchen versteckten, in denen sie aber manchmal auch wichtige Ergebnisse parkten und vergaßen. Als Praktikanten waren sie bald wieder über alle Berge. Um einerseits unnützen Speicherraum freizufegen und andererseits manch bedeutende, aber versteckte Datei zu finden, gab es für einige wenige am Institut einen Weg, die Passwörter einzusehen.
Fogh gehörte nicht zu diesem Kreis, aber er war immerhin festangestellter Wissenschaftler bei
Zucker
. Viele Testreihen liefen unter seiner Verantwortung. Und er konnte überzeugend sein, wenn er wollte.
Melina war keine Praktikantin, aber als nicht fest Angestellte hatte man sie in diese Kategorie gesteckt. Fogh konnte also ihr Passwort sehen. Es lautete – ähnlich wie erwartet – J679MLH291X.
Als er sie am Vorabend nach Hause fuhr, hatte sie etwasvon einem Film erzählt. Auf Nachfrage wollte sie aber nicht mehr dazu sagen.
Ich bin zu forsch rangegangen. Hätte meine Neugierde zügeln müssen. Und sie war von den zwei Gläsern Wein eben doch nicht beschwippst.
Er überflog die Ordner ihrer Übersichtsseite. Durchweg Testreihenergebnisse. Nichts Auffälliges. Kein Ballerspiel, kein Latein-Grammatikprogramm. Dann ging er in ihr E-Mail -Postfach.
Offenbar war Melina diszipliniert, was das Löschen alter Mails betraf. Sie hatte nur drei Nachrichten im Ausgangskorb. Eine Materialbestellung und zwei Terminerinnerungen an Lena für Samstag. Vorsorglich notierte er Lenas private Mailadresse.
Im Eingang gab es etwas mehr, aber auch hier war nichts älter als eine Woche. Keine Post von Lena. Eine Werbung für einen
Club der Numismatiker,
noch nicht geöffnet.
Was trotz aller Filter so durchkommt!
Und dann war da noch eine Mail, die keinen Text enthielt, nur einen Dateianhang mit der Bezeichnung »alma«. Absender: anonym. Die Datei ließ sich nicht öffnen, auch nicht mit einem seiner anderen Programme.
Mal sehen, ob du gut verschlüsselt bist oder ob jemand nur einfach die Absenderzeile frei gelassen hat.
Anonyme Mails waren Foghs Spezialität. Er sandte die Mail an den unbekannten Absender zurück, automatisch und mit einem kleinen Trojaner.
Sekunden später erhielt er eine ebenfalls automatische Rückantwort mit seiner gespiegelten Mail. Diesmal war eine codierte Adresse im Absender erkennbar. Er ließ diese Adresse wie einen Suchtext über alle anderen im Institut jemals benutzten Adressen laufen.
Das Suchprogramm fuhr reiche Ernte ein.
Über die Adresse gingen viele der Instituts-Mails. Aus den Texten und Rubren ging hervor, dass es sich um einen Ort mit dem eigentümlichen Namen
Alp Grüm
handelte. Fogh erinnerte sich, dass das PALAU in Kooperation mit seinem Institut Jugendreisen unter anderem in die Schweiz durchführte. Er hatte schon öfter von der
Alp Grüm
in Graubünden gehört.
Lena war also vor einigen Tagen dort und schickte Melina diese Datei. Was auch immer deren Inhalt war, es half Melina nicht wesentlich weiter. Aber würde sich Melina überhaupt Sorgen machen, wenn sie annähme, dass Lena bei einer der Jugendreisen in der Schweiz ist?
Welchen Grund hatte Lena, die Mail anonym zu senden?
Er jedenfalls wusste, was zu tun war.
Er schloss alle Wunden der Datensicherheit sorgsam, markierte seine Wege als »ungelesen« und fuhr den Laptop herunter. Empört stand er vor der verschlossenen Tür, aber nach Millisekunden war die Erinnerung wieder da, dass er sich selbst eingeschlossen hatte.
22
Aristoteles Kraniotakes schleppte zwei Pilotenkoffer. Er peilte einen Kräfte schonenden Slalom zwischen den Säulen des Foyers hindurch an. Eine gerade Strecke direkt zum Ausgang gab es nicht. Den Architekten verfluchte er nicht zum ersten Mal.
Eugen Lascheter betrat das Foyer gänzlich ohne Tasche. Koffer hasste er sowieso. Um die Utensilien für den Flug und die Übernachtung kümmerte sich Noëlle, aber auch wenn er ohne Assistentin unterwegs war, verzichtete er nach Möglichkeit auf alles, was er in Händen herumtragen musste.
Kraniotakes zog einen Mundwinkel herauf und grüßte mit »Salve!«.
Lascheter nickte ihm pflichtschuldig zu und ging weiter.
Kraniotakes hielt an und wandte sich um. »Ach, Herr
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