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Jung genug zu sterben

Jung genug zu sterben

Titel: Jung genug zu sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Liemann
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verarschen?« Das Wort kam mit aller Leidenschaft und schöner Schweizer Lautmalerei.
    »Nein, sag, wenn du was weißt.«
    Sie brauchte noch einen Moment, um zu erkennen, dass er es wirklich nicht wusste und sie nicht nur auf die Probe stellte. Das war ein Nachteil ihrer so sehr auf Neckereienbasierenden Beziehung: Den Ernst einer Situation manchmal zu unterschätzen.
    »Jenissej, Kreis mit Kreuz oben ist das Symbol für die Erde.«
    Er lachte auf. Ungläubig. »Die Erde   …?«
    »Unsere
magna mater

    »Und die acht Ringe?«
    »Da muss ich passen. Hat nicht der Saturn so was?«
    »Ja. Kennst du so ein Symbol? Die Erde mit Ringen?«
    Pia schüttelte den Kopf.
    »Eine Phantasie, Pialein?«
    Sie legte den Kopf schräg, malte lautlos die Figur in der Luft nach und schien mit sich zu sprechen. »Nein«, sagte sie. »Es ist kein bekanntes Zeichen. Es könnte zu einem Verein gehören, ein Geheimzeichen, ein selbst kreierter Gaunerzinken   … «
    »Denk dran, es muss mit Lena zu tun haben«, mahnte er. »Lena malt normalerweise nicht im Sand, seit sie vier oder fünf ist, nehme ich an. Also bitte, Jenissej!«
    »Warum
acht
Ringe? Hat die 8 eine Bedeutung?«
    »Hm. – Die 8 ist das Symbol für den Kosmos. Liegend ist sie das Zeichen für Unendlichkeit. In einigen Religionen ist sie eine heilige Zahl, steht für Taufe und Auferstehung. Darum sind Baptisterien achtseitig gebaut. Noah hat acht Menschen in seiner Arche mitgenommen. Acht Arme Vishnus. Spinnen haben acht Beine, und Kraken acht Tentakel. Es gibt acht Planeten, ohne den Pluto. Und sprachlich erinnert die 8 an
Achtern

    Er vergrößerte den Bildausschnitt. »Oder an
Achtung

    Sie sprang auf und fuhr sich durch die Haare. »Mehr kann ich da nicht sehen, tut mir leid. Die Erde mit Saturnringen.«
    »Ist der Kreis mit dem Kreuz nicht auch eine religiöses Zeichen?«, fragte Jenissej. »Evangelische Kirche oder Jugend in der Kirche oder so was?«
    Pia setzte sich wieder. »Lena hat mit Kirchen nichts am Hut. Außerdem   … «
    »Und wenn sie in einer Kirche ist?«, fragte er schroff.
    Sie legte ihm die Hand auf die Schulter. »Dann muss es eine Kirche mit Saturnringen sein.« Kuss auf ein Ohr. »Ich lasse dich besser noch allein. Du hast mehr Ideen, wenn ich nicht da bin.«
    Er streichelte ihre Hand, konnte aber von dem Bildschirmfoto nicht lassen.
    Bei den Experimenten, den Film mit verschiedenen Stücken aus Lenas Repertoire zu unterlegen, waren nette Clips entstanden. Aber eine Erkenntnis gab es nicht. Melina hatte ihm eine SMS geschickt – mit gleichem Resultat aus ihrer Suche nach Titeln von der Lieblingsmusikliste, die etwas über ihren Aufenthaltsort aussagen könnten.
    Man müsste alle Liedtexte nach etwas Religiösem durchgehen, dachte er. Vielleicht hat sie eine neue Ader an sich entdeckt. Aber dann sind da noch die Ringe   … Der Aachener Dom ist achteckig. – Das Kreuz auf dem Kreis   …
    Jenissej dachte an Orgelmusik.
    Eine Tonleiter hat sieben Töne, aber der erste taucht noch einmal am Ende auf: c, d, e, f, g, a, h, c. Also acht. Die verminderte Tonskala, beim Jazz, hat generell acht Töne   …
    Adrenalin löste in seinem sitzenden Körper Kampfebenso wie Fluchtbereitschaft aus, aber die Entwarnung des Gehirns kam umgehend: Ich denke aus irgendeinem Grund immer wieder an Musik. Das muss eine Ursache haben. Acht   – Achtung!
    Oskar Schroeter kam über die Wendeltreppe. Er warf seinSchlüsselbund in eine Ecke des Schneidepults. »Du lebst ja, Jenissej!«
    »Moin, Schroeter, was sagt dir dieses Symbol im Sand?«
    Schroeter ließ seine Lederjacke auf den Boden fallen. »Das ist ganz eindeutig.« Er beugte sich über Jenissej und zeigte auf den Schirm: »Da steht in großen Lettern: ABGABETERMIN HEUTE. – Was ist jetzt mit
Theophanes?
    Hast du in der Nacht einen neuen Schnittplan gemacht? – Hm, vermutlich nicht. – Das Festival startet in einer Woche, die werden nicht auf dich warten.«
    Jenissej drehte sich langsam zu seinem Cutter. Das Adrenalin vom letzten Schub war noch nicht verbraucht. »Du bist eine verkommene Krämerseele, Schroeter.«
    »Nutzlos! – Du musst noch den Begriff ›nutzlos‹ in deine Beschimpfung einbauen.«
    Jenissej musste lachen, auch über Schroeters leise, trockene Art. »Ich fahnde nach meiner Tochter, Mann.«
    »Da? – Haben die Ameisen sie im Sand verschleppt?«
    »Ich suche nach der Botschaft.«
    »Das wird zur Obsession. Lena ist mal wieder unterwegs. Punktum. Was machen wir mit
Theophanes?
Der

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