Jung genug zu sterben
tragen?«
Elke Bahr übernahm. »Vielen Dank für Ihre Frage. Könnten Sie sich noch kurz vorstellen?«
Der Mann nahm ihr das Mikro wieder weg. »Mein Name tut nichts zur Sache. Wir sind besorgte Eltern, die ihre Kinder in dieses PALAU schicken. Die verbringen da ihre Tagesfreizeit, sie unternehmen Reisen, sie machen mit bei irgendwelchen Tests, für die sie Taschengeld bekommen, und jetzt sollen sie auch noch ein Jahr ihrer Schulzeit dort verbringen. Da darf man doch wohl mal fragen, wer hinter dieser Einrichtung steht und ob es dieses ominöse Ding auch morgen noch geben wird.«
Zucker sah besorgt aus, Kraniotakes konnte mehr als einmalkaum an sich halten, der vierte Mann auf dem Podium war weiterhin eine Wachsfigur. Rachesch bot sich an, indem er als Erstes den Buzzer für das Mikro drückte: »Zunächst mal: Das PALAU wurde als Spekulationsobjekt gebaut, das sage ich ganz deutlich. Die privaten Investoren setzten darauf, dass im Falle einer Insolvenz der Staat und die Kirche das Projekt nicht fallen lassen würden. Und richtig: Die Evangelische Kirche übernahm, kräftig unterstützt vom Land Berlin und teilweise auch von Brandenburg sowie einigen privaten Trägern und Sponsoren. Inzwischen brechen der Kirche die Gelder weg, sie wird über kurz oder lang aufgeben müssen. Es ist wahr, dass der Vorstand des
Instituts Zucker
überlegt, sich finanziell stärker zu beteiligen.«
Professor Zuckers Gesicht sah aus wie das des Eigentümers der
Titanic,
dem man eröffnet hatte, das Schiff könne geborgen werden, es müsse aber aus eigener Kraft zurück nach Southampton fahren.
Rachesch fuhr fort: »Wir müssten alles verkaufen, unsere Geräte, unser Personal, unser Anliegen – nur um die Hälfte von PALAU dauerhaft zu finanzieren. Wir sind guten Willens, aber allein werden wir es nicht stemmen.«
Der Mann aus dem Publikum war laut genug, um sich auch ohne Lautsprecher verständlich zu machen: »Was ist mit diesem amerikanischen Investor:
Enceladus Inc.
oder so? Ist Ihnen bekannt, dass
Enceladus
zu einem Mutterkonzern in den USA gehört, der Psychopharmaka herstellt?« Das Wort, das er mit dem meisten Ekel aussprach, war
USA
.
»Ich weiß nur«, sagte Rachesch, »dass Enceladus ein Mond des Saturn ist.« Demonstrativ schob er das Tischmikrofon von sich. Langsam, aber kräftig kamen die Lacher und der Applaus. Rachesch zog das Mikro wieder zu sichheran. »Übrigens ein ziemlich ungemütlicher Mond.« Mikrofon weg. – Und wieder zu sich heran: »Mit viel Eis und kalten Vulkanen, die Wasser ins All spucken. – Das habe ich gehört, als ich in der neunten Klasse war. Ich habe es nicht in der Schule gelernt, sondern auf einer Abenteuerreise mit nächtlichen Ausflügen – bei den Pfadfindern.«
Großes Pow-Wow bei seiner Fraktion.
Fogh verließ das Audimax und steuerte im Foyer auf
Die
Pubertät
zu, das reproduzierte Gemälde von Edvard Munch über dem Ledersofa. Keiner sonst war da. Er nahm Platz und telefonierte.
»Ich bin’s. – Diese Melina. Melina von Lüttich – sie macht sich Sorgen um Lena, die beiden kennen sich von den Testreihen und sind befreundet. Sozusagen. – Genau. Macht sich Sorgen. Aber sie weiß nichts, das ist der Punkt. – Richtig, einerseits ist es gut, andererseits hilft sie uns nicht, Lena zu finden. – Nein, nein, die Romantik-Nummer. – Klar. – Bitte? – Nein, keine Sorge, du kennst mich. – Wir müssten sehen, ob wir diese Melina nicht gezielter bei PALAU platzieren, was meinst du? – Eben. Na gut … – Ja, Schatz, ich dich auch. Weißt du doch.«
20
Ein Kreis mit einem Kreuz unten dran: das Symbol für Weiblichkeit.
Lena filmte es anders herum. Oder hatte es absichtlich auf den Kopf gestellt.
Er griff zum Hörer. »Pia, meine Pia, bist du im Hause? – Schau doch auf einen Sprung bei mir vorbei, ja? – In Oskars Schnippelbude. – Ja.«
Diese acht Linien, die wie Ringe um den Kreis laufen …
Pia war so plötzlich im Raum wie eine Sturmböe. Sie trat hinter ihn und küsste ihn auf den Kopf. »Du hast mich, Herr, gerufen?«
»Was ist das da?«
»Das? – Eine Malerei im Sand.«
»Das ist ein Kreis mit einem Kreuz drauf, oder? Was sagt die Meisterin der Schriften und Zeichen dazu?«
»Was soll ich dazu sagen?«
Jenissej malte mit dem Zeigefinger die Linien am Computerbildschirm nach. Kreis mit Kreuz. Hat das irgendeine Bedeutung?
Sie schnappte sich den Hocker neben ihm, zog ihn heran und starrte ihm ins Gesicht: »Sag mal, Jenissej, willst du mich
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