Jung im Kopf: Erstaunliche Einsichten der Gehirnforschung in das Älterwerden (German Edition)
bei dem werden die Gedanken freier, offener, assoziativer; man ist generell kreativer. Es lohnt sich also, viel Aufwand zu treiben, um seine Angstgefühle in den Griff zu bekommen.
Anti-Stress: Glücksgefühle zulassen
Ein Teil der Menschheit wird es nur zu gerne hören, ein anderer wird es als schreiende Ungerechtigkeit bezeichnen, was das Wissenschaftsmagazin Nature 2011 zu berichten wusste: Das subjektive Sich-Wohlfühlen (oder weniger wissenschaftlich: Glücklichsein) verlängert das Leben und verbessert die Gesundheit.
Es geht hier nicht um den trivialen Zusammenhang, dass gesündere Menschen die glücklicheren sind. All dies lässt sich mit Hilfe epidemiologischer und sozialpsychologischer Methoden herausrechnen. Hier aber haben Wissenschaftler in einer Meta-Analyse 24 Studien über den Zusammenhang von Gesundheit und Altern verglichen und deren Effekte statistisch analysiert. Und in der Tat zeigte sich, dass Glück, Zufriedenheit und Zuversicht das Leben verlängern und den Menschen gesünder, ja sogar kognitiv leistungsfähiger machen – vor allem deshalb, weil glücklichere Menschen weniger Stress empfinden. In Zahlen ausgedrückt heißt dies: Glücklichere Menschen leben um 14 % länger als weniger zufriedene Zeitgenossen – in Lebensjahren bedeutet dies, sie leben 7,5 bis 10 Jahre länger! Wichtige Aussagen zu diesem Befund lieferten sogenannte Longitudinalstudien, in denen Probanden über ihr Leben hinweg in regelmäßigen Abständen befragt wurden. Einen besonderen Stellenwert haben hier die bereits mehrfach erwähnten Studien mit amerikanischen Ordensschwestern, die alle unter sehr ähnlichen Bedingungen lebten: Sie wurden vor ihrem Eintritt in einen Orden nach ihrer Gemütsverfassung befragt. Glückliche Nonnen hatten eine mittlere Lebenserwartung von 93,5 Jahren, während diejenigen, die sich selbst als weniger glücklich bezeichnet hatten, eine Lebenserwartung von 86,6 Jahren hatten (was im Übrigen durch den insgesamt gesünderen Lebenswandel der Nonnen überdurchschnittlich hoch ist).
Schon Aristoteles hat das Streben nach Glück als eines der wichtigsten menschlichen Ziele bezeichnet. Und die oben zitierten Studien erinnern daran, dass Zuversicht, Zufriedenheit, ja sogar Glück eine ganz neue Bedeutung bekommen hinsichtlich unserer Gesundheit und Lebenserwartung. Die Ergebnisse lassen sich dahingehend interpretieren, dass relative Lebenszufriedenheit mit weniger Stress und den damit verbundenen positiven Folgen für Gehirn und Körper einhergeht. Allerdings muss man sich seine persönlichen Ziele so stecken, dass Erfolgsgefühle auch möglich werden. Senioren, die Freude am Leben haben, sind oft beweglicher, neugieriger und sozial engagiert – drei Faktoren, die das Gehirn herausfordern, damit aktivieren und in der Folge langsamer altern lassen. Erwähnt sei hier auch, dass das Pflegen sozialer Kontakte immer wieder positive Rückkoppelungen und Glücksmomente vermittelt.
Umgekehrt ist aber auch belegt, wie Schicksalsschläge von außen die Lebenserwartung senken können: Männer, die ihre Ehefrauen/Lebenspartnerinnen verlieren, haben einen Monat nach deren Tod eine um den Faktor 2 erhöhte Mortalitätsrate; Ehefrauen, die ihren Ehemann verlieren, gar eine um den Faktor 3 erhöhte Mortalitätsrate. Das heißt, neben unseren Genen und unserem Lebensstil beeinflussen auch Lebensereignisse unser Altern – ein Faktor, den wir nicht kontrollieren können. Es zeigt außerdem, dass man nicht allein seines Glückes Schmied ist. So einfach macht es uns weder das Leben noch das Altern. Das Streben nach Glück und Zufriedenheit ist ein hohes Gut, und es scheint abschließend eine lohnende Frage, ob Unzufriedenheit im Leben nicht auch mit einer unrealistischen Skalierung der Ziele zusammenhängt.
Selbstbewusstsein und Achtsamkeit
Es ist schon verrückt, was für ein Experiment die berühmte Harvard-Psychologin Ellen J. Langer vor einigen Jahren durchgeführt hat. Aber nicht nur das Experiment selbst hatte etwas Exzentrisches, die Ergebnisse sind in vielerlei Hinsicht nahezu phänomenal: In ihrer klassischen Studie hatte die Psychologin mit ihrem Team Senioren aus Altersheimen für eine Woche in zwei Gruppen eingeteilt – eine Gruppe wurde weiterhin komplett versorgt, lebte aber in einer neuen Umgebung; die andere Gruppe musste sich eine Woche lang selbst versorgen und wurde in die Zeit der 50er und 60er Jahre versetzt – angefangen bei der Musik aus der »guten, alten Zeit«, über Gegenstände
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