Jung im Kopf: Erstaunliche Einsichten der Gehirnforschung in das Älterwerden (German Edition)
dementsprechend stecken die Kultur und die Wissenschaft des Alters und Alterns noch in der Jugendphase: Es gibt noch keine lange Tradition einer Alterskultur. Auch über die psychologischen, neurologischen und sozialwissenschaftlichen Bedingungen des Alterns wissen wir noch relativ wenig. Neu ist für die Forschung auch die Frage, wie wir das Altern bereits in der mittleren Lebensphase vorbereiten können. Dieses Buch legt den Schwerpunkt auf das Gehirn und seine Funktionen, die sich im Zuge des Alterungsprozesses verändern. Dies sollte aber nicht den Blick darauf verstellen, dass das Altern viele Facetten hat. Aufgrund der genetischen Ausstattung, des individuellen Lebensstils und nicht planbarer Ereignisse fällt diese Lebensphase für jeden Menschen anders aus und kann zu einem jeweils anderen Erleben des Alterns führen.
»Erfolg hat nur der,
der etwas tut,
während er auf
den Erfolg wartet.«
Albert Einstein
Dieses Erleben wird jedoch maßgeblich durch die gesellschaftliche und individuelle Erwartungshaltung beeinflusst. Sie wirkt sich auf die eigene Leistungsfähigkeit im Alter aus, aber auch auf die Rolle, die Familie, Gesellschaft und Politik dabei spielen. Denn natürlich hat die alternde Gesellschaft Folgen für die betriebliche Organisation von Firmen, Altenheimen und unsere persönliche wie gesellschaftliche Lebensplanung. Diese Aspekte des Alterns sollen hier im Schlusskapitel noch einmal angesprochen und mit möglichen Konsequenzen verknüpft werden. Um es gleich vorwegzusagen: Wir können und dürfen von älteren Menschen noch einiges erwarten, ohne uns dabei der Illusion einer Anti-Aging-Kultur hinzugeben. Aber – und darauf hat Paul Baltes, der verstorbene Nestor der Altersforschung, bereits eindringlich hingewiesen: »Eine der wichtigen Aufgaben der Zukunft ist es, die Bilder vom Alter optimistischer und differenzierter zu gestalten. Wenn es nämlich keine positiven Bilder vom Alter gibt oder nur in geringem Maße, wenn also der gegenwärtig erreichte Zivilisationsstand das Alter vor allem auf der negativen Soll-Seite verbucht, dann ist auch die Wahrscheinlichkeit gering, dass positive Alternsprozesse einschließlich neuer Produktivitätsformen im Alter überhaupt entstehen, und zwar unabhängig davon, ob dies prinzipiell anders sein könnte.«
Individuelles Altern
Auf welche Zukunft des eigenen Alterns soll man sich vorbereiten? Fest steht: Wer daran glaubt, auch nach dem Renteneintritt noch viele Jahrzehnte vor sich zu haben, lebt anders, plant anders, verhält sich anders. In Kapitel 8 sind bereits viele Aspekte und Maßnahmen genannt worden, wie man zum einen seinen Lebensstil so ausrichten kann, dass man möglichst lange jung und fit im Kopf bleibt, und zum anderen die Risiken einer altersbedingten Erkrankung des Gehirns zu minimieren versucht (siehe auch Kapitel 7). Es sei an dieser Stelle noch einmal darauf hingewiesen, dass sich jede dieser Maßnahmen (z. B. gesunde und maßvolle Ernährung, Bewegung, kognitives Training) zu jedem Zeitpunkt im Alterungsprozess positiv auswirkt. Es ist also nie zu spät, seinen Lebensstil zu ändern. Aber man kann sich auch gezielt auf das Alter vorbereiten, indem man sich bereits frühzeitig, und das heißt vor dem 50. Geburtstag, nicht nur Gedanken über die finanzielle Altersvorsorge macht, sondern damit beginnt, seine Lebensweise auf eine gesunde Alterung des Gehirns auszurichten. Denn die Qualität des Alterns und der Jahre jenseits der 70 werden nicht zuletzt davon abhängen, wie man zuvor gelebt und was man für seine gehirngerechte Altersvorsorge getan hat. Hier gilt es also, frühzeitig Weichen zu stellen und Pläne zu schmieden. Und bewusster, als wir dies meist in hektischen Zeiten tun, im Augenblick zu leben. Denn wer achtsam und aufmerksam das Da-Sein im Jetzt-Sein erlebt, sammelt mehr Erinnerungen, trainiert seinen Stirnlappen im Cortex und lebt intensiver als jemand, der immer schon drei Schritte voraus ist.
»Es gibt kein Verbot
für alte Weiber, auf Bäume
zu klettern.«
Astrid Lindgren
Gleichzeitig sei aber auch eine Warnung für die Zeit nach der Pensionierung ausgesprochen: Es ist große Vorsicht geboten bei dem Versuch, im Alter Jugendträume zu verwirklichen. Hier bedarf es eines genauen Blickes in die inneren Begehrlichkeiten. Oft hat das Leben einen verwandelt, Max Frisch sagt: »entfaltet«, und man ist nicht mehr der, der träumt, sondern das, was man in seinem Leben noch tun könnte, wird stärker aus dem Blickwinkel der
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