Jung im Kopf: Erstaunliche Einsichten der Gehirnforschung in das Älterwerden (German Edition)
die man an dieser Stelle elektrisch reizt, häufig an, sie hätten das Gefühl, zur selben Zeit an zwei Orten zu sein.
Der hinterste Teil des Großhirns ist der Hinterhauptslappen (Occipitallappen). Er wird fast vollständig von verschiedenen Arealen ausgefüllt, die unserer visuellen Bildverarbeitung dienen. Von unserer Netzhaut im Auge ziehen Nervenfasern über das optische Chiasma (Verbindungsstelle der Augennerven) zum Thalamus, wo sie weiter verschaltet werden zur Sehrinde, die den Hinterhauptslappen einnimmt. Dabei werden die in unserer Sehrinde visuell aufgenommenen Informationen getrennt nach Farbe und Bewegung, Position und Orientierung, separat verarbeitet und dann erst zusammengesetzt. Schädigungen des Hinterhauptslappen führen, selbst wenn unser übriges Sehsystem intakt ist, zu Blindheit. Dieser Teil der Großhirnrinde ist jedoch kaum von Alterungsprozessen betroffen.
Asymmetrien zwischen den Großhirnhemisphären
Obwohl die beiden Hemisphären des menschlichen Gehirns weitgehend symmetrisch sind, zeigen sich kleine, aber wichtige Asymmetrien. Mit anderen Worten: Es gibt eine neuroanatomische Ungleichheit und funktionale Aufgabenteilung der Großhirnhälften, Lateralität genannt. Neurologen, die zahlreiche Patientenakten daraufhin durchgesehen haben, ob links- oder rechtsseitige Hirnschädigungen eine bestimmte Funktion unterbunden haben, fanden heraus, dass im Mittel auf fünf Patienten, die nach einem rechtsseitigen Schlaganfall an einer sogenannten Ankleide-Unfähigkeit (Apraxie) leiden, nur ein Patient mit einer linksseitigen Schlaganfalls-Ankleide-Apraxie kommt. Die Ergebnisse heutiger Untersuchungen mit bildgebenden Verfahren zeigen, dass bei Rechtshändern ein großer Teil der Sprachverarbeitung, das Kategorisieren der Welt, mathematische Kalkulationen, das Planen komplexer Motoraufgaben und alle analytischen Tätigkeiten vor allem in der linken Hirnhemisphäre erfolgen, während die rechte Hemisphäre zuständig ist für Musikalität, das Erkennen komplexer Muster, für Teil-zum-Ganzen-Beziehungen, die räumliche Orientierung und das Wahrnehmen von Emotionen und deren Äußerung (Gesichtererkennung).
Diese Aufgabenteilung wurde wahrscheinlich aus Platzersparnisgründen evolutiv eingeführt: Sprache wird vornehmlich links verarbeitet, räumliches Vorstellungsvermögen dagegen rechts. Dementsprechend ist es durchaus möglich, dass die durchschnittlich bessere Leistungsfähigkeit von Männern in diesen rechtshemisphärischen Gehirnfähigkeiten mit ihrer größeren rechten Hirnhemisphäre zusammenhängt. Auch von Computern weiß man, dass graphisch orientierte Programme wesentlich mehr Rechenkapazität erfordern als textverarbeitende. Und die besseren Leistungen von Männern bei Fang- und Wurfbewegungen lassen sich ebenfalls mit der unterschiedlichen Gehirnorganisation der Geschlechter erklären. Bei Tätigkeiten wie diesen muss das Gehirn Informationen über den Ort des Ziels mit Richtung und Geschwindigkeit der Bewegung von Händen, Armen und dem gesamten Körper berechnen und koordinieren. Je schneller ein Objekt fliegt, desto schneller muss die räumliche Analyse erfolgen, und es könnte sein, dass die größere rechte Hirnhälfte bei Männern hier von entscheidendem Vorteil ist. Ob die Größenunterschiede zwischen weiblichem und männlichem Gehirn wirklich so bedeutsam sind, ist jedoch umstritten. Entscheidender als der Größenunterschied ist wohl eher, dass der relative Anteil bestimmter Gehirngebiete zwischen Männern und Frauen schwankt. So steht Frauen relativ gesehen mehr Gehirnvolumen für Sprachfertigkeiten zur Verfügung, während die Männer ein größeres Gehirnvolumen für räumliches Vorstellungsvermögen haben. Diese Unterschiede könnten in der Tat hormonell bedingt sein. Denn wie man herausgefunden hat, führt ein Mehr an Testosteron bei Frauen zwar zu einem besseren räumlichen Vorstellungsvermögen, umgekehrt aber gilt: Selbst Männer mit einem niedrigen Testosteronspiegel (der immer noch um ein Vielfaches höher ist als der einer Frau) schneiden bei allen Aufgaben zu mathematischen Fertigkeiten und zum räumlichen Vorstellungsvermögen grundsätzlich besser ab als Frauen. Das größere männliche Gehirn ist also von der Organisation her besser darauf vorbereitet, räumliche Informationen zu verarbeiten, während das weibliche Gehirn in der Sprachverarbeitung und der motorischen Feinkoordinierung gewisse Vorteile hat. Dies sagt in der Tat etwas darüber aus, wie
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