Jung im Kopf: Erstaunliche Einsichten der Gehirnforschung in das Älterwerden (German Edition)
allen Sinnesorganen Informationen, analysiert diese, vergleicht sie mit vorherigen Erfahrungen, unserem Wissen und allen anderen Informationen, fällt auf dieser Basis eine Entscheidung und schickt seine Befehle und Instruktionen an die entsprechenden anderen Hirngebiete, Drüsen und Muskeln. Sein Aufbau gleicht einem postmodernen Gebäudetrakt mit Räumen in Räumen, die ineinander übergehen und miteinander in Verbindung stehen, aber dennoch ihre jeweils typische Ausstattung haben. Wird dieser Teil des Gehirns bei einem Schlaganfall oder bei der Alzheimer-Erkrankung geschädigt, gehen häufig nicht nur wichtige körperliche Funktionen verlustig, sondern im wahrsten Sinne des Wortes unser »Selbst«.
Evolutionsgeschichtlich ist unser Großhirn der jüngste Teil des Gehirns, so als wäre einem alten Haus ein hochmoderner Dachstuhl mit allerlei Ausbauten aufgesetzt worden. Es ist vor allem bei Säugetieren hochentwickelt. Quantitative Spitzenwerte in Volumen und Zellzahl erreicht es bei Delphinen, Schimpansen, Elefanten und beim Menschen, wo es etwa 70 % des gesamten Gehirnvolumens ausmacht (auch wenn das Kleinhirn wesentlich mehr Nervenzellen hat). Von allen Lebewesen (mit Ausnahme der Delphine) ist das menschliche Großhirn das am stärksten gefurchte. Durch die vielen Furchungen und Ausstülpungen kommt es zu einer enormen Oberflächenvergrößerung. Würde man das menschliche Großhirn wie einen Weihnachtsplätzchenteig zu einer Fläche ausrollen, hätte es eine Größe von 1,5 m 2 , das entspricht einer Fläche von etwa 24 DIN -A4-Blättern. Die Gräben oder Furchen in der Großhirnrinde nennt man Sulci (Singular: Sulcus, wie der Wagen, in dem die Trabrennfahrer sitzen). Die Ausstülpungen zwischen den Sulci heißen Gyri (Singular: Gyrus). Dabei ist die Großhirnrinde selbst nur 3 mm dick und in der Regel in sechs Zellschichten unterteilt. Die Rinde selbst sitzt auf einem riesigen Gewirr an weiß aussehenden Kabeln (Fasern), die die Nervenzellen miteinander verbinden. Nur die Zellkörper sitzen in der Großhirnrinde. Von den Volumenverhältnissen verhält sich die Rinde zur weißen Substanz, den Teilen des Zentralnervensystems, die aus Leitungsbahnen (Nervenfasern) bestehen, wie sechs Schichten Zuckerguss auf einer Torte.
Das denkende Großhirn
Der Cortex des Menschen, dieses so prominente Oberstübchen des Gehirns, soll nun gesondert und ausführlich betrachtet werden, da es sowohl unser Menschsein an sich als auch Alterungsprozesse entscheidend bestimmt. Schaut man sich den Aufbau des Großhirns genauer an, so ist sein hervorstechendstes Merkmal, dass es in zwei Hälften, die sogenannten Hemisphären, unterteilt ist. Beide Hälften sind hinsichtlich ihres Aufbaus und ihrer Struktur im Wesentlichen symmetrisch. Jede Hirnhälfte verarbeitet jeweils die Informationen, die von der anderen Körperseite kommen. So ist die rechte Hand in ihrer Sensorik und Motorik in der linken Hemisphäre abgebildet und umgekehrt. Die Hemisphären sind durch mehrere Stränge von Nervenfaserbündeln, die aus insgesamt mehr als 300 Millionen Nervenfasern bestehen, miteinander verbunden; die größte dieser Verbindungsbrücken (»Datenautobahnen«) ist der Balken, auch Corpus callosum genannt. Über ihn kommunizieren die Hemisphären miteinander.
Jede der Hirnhälften ist nun ihrerseits wieder durch sichtbar tiefere Furchen in Hirnlappen oder Loben (Singular: Lobus), aufgeteilt: den Stirn-, Scheitel-, Schläfen- und den Hinterhauptslappen, die, naheliegenderweise, nach ihrer Platzierung im Gehirn benannt sind. Auch wenn sie alle in der Regel gut zusammenarbeiten, weisen sie doch charakteristische Unterschiede auf.
Da ist zunächst der gleich hinter unserer Denkerstirn befindliche Stirnlappen (Frontallobus). Er ist der größte der vier Großhirnlappen und wird besonders mit höheren geistigen Prozessen in Verbindung gebracht: logisches Denken, planerisches Handeln, die eigene Ich-Perspektive verinnerlichen. Er nimmt beim Menschen ca. 40 % des Großhirns ein und ist damit im Vergleich zu allen anderen Säugetieren am besten entwickelt. Er überwacht und kontrolliert viele andere Hirnfunktionen und hat auch die stärksten Verbindungen zum limbischen System, dem Kontrollorgan unserer basalen Körperfunktionen, geknüpft. Anatomen galt der Stirnlappen lange Zeit als »stumme Zone«, weil anders als in den übrigen Hirnteilen keine spezialisierten Funktionen erkennbar waren. Seitdem man aber anhand von Hirnverletzungen und mit Hilfe
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