Jung im Kopf: Erstaunliche Einsichten der Gehirnforschung in das Älterwerden (German Edition)
nur in den seltensten Fällen z. B. etwas mit dem Beruf der Person zu tun haben (nur die wenigsten Zahnärzte heißen »Kiefer« oder wie ein Zahnarzt meiner Jugend »Steinhauer«). Andererseits sammeln wir unser Leben lang Worte, so dass ein 70-Jähriger einen größeren Wortschatz hat als ein 20-jähriger Student!
Wie kommt es also, dass uns trotzdem, je älter wir werden, umso häufiger Begriffe/Namen/Fakten nicht einfallen, obwohl wir wissen, dass wir sie kennen? Besonders gravierend ist das Problem bei Namen: Den Namen einer Person nicht parat zu haben fällt unangenehmer auf, als wenn wir nicht auf ein beliebiges Wort in unserer Sprache kommen, das leicht durch ein Synonym ersetzt werden kann. Ein Name dagegen ist ein konkretes, nicht sinnstiftendes Wort und kann nicht aus dem Kontext erschlossen werden. In so einem Fall bleibt nichts anderes übrig, als sich clever aus der unangenehmen Situation zu winden, indem man jemanden nach dem Namen fragt oder gleich den Betroffenen selbst bittet, einem auf die Sprünge zu helfen.
Wie können wir aber wissen, dass wir den gesuchten Namen oder Begriff wissen, ohne dass wir ihn artikulieren können? Das scheint paradox. Zunächst stellen wir »Bekanntheit« her, wenn bestimmte Eckpunkte eines Ereignisses einem anderen gleichen; dennoch ist das Gefühl, den Umstand zu kennen, etwas anderes, als einen Namen dafür zu haben. Wenn uns etwas nicht einfällt, handelt es sich meist um ein Abrufproblem und hat nichts damit zu tun, dass die Erinnerung »aus unserem Kopf gefallen sein könnte«. Es ist so, als könnten wir in einer riesigen Bibliothek das Buch, das wir suchen, nicht finden. Es ist aber da, und wenn wir Hinweisreize bekommen, gelingt es uns oft, den Standort des Buches, den Namen zu erinnern. Da verrät uns z. B. jemand, dass der Anfangsbuchstabe ein »R« ist, und schon wissen wir plötzlich: Reiner. Dieses Phänomen konnte auch wissenschaftlich belegt werden: In einer Studien hat man den Versuchspersonen ein Foto des bekannten US-Schauspielers Brad Pitt gezeigt und sie gebeten, seinen Namen zu sagen. Fiel er den Probanden nicht ein, zeigte man ihnen in einem anderen Kontext ein Holzbrett (lautmalerisch nahe am englischen Brad). Dies genügte häufig schon, um den Probanden bei der Namensfindung auf die Sprünge zu helfen, was dann belegte, dass sie in der Tat den richtigen Namen gespeichert hatten, nur nicht sofort auf ihn zugreifen konnten.
Wenn aber doch das Gehirn – obwohl in die Jahre gekommen – in vieler Hinsicht so leistungsfähig ist, warum haben wir dann so häufig dieses »Es liegt mir auf der Zunge«-Problem? Die Antwort auf diese Frage hängt mit der Art und Weise zusammen, wie unser Gehirn Wörter verarbeitet und abspeichert. So ist die Aussprache eines Wortes in einer anderen Gehirnregion gespeichert als seine Bedeutung. Durch den Abbau neuronaler Strukturen kann die Verbindung im Alter schwächer werden – sie ist einfach fehleranfälliger als viele andere Probleme, die das Gehirn lösen muss.
Frische Neuronen helfen beim Erinnern
Es gibt noch einen spannenden Zusammenhang, der unter Umständen in vielfältiger Weise dafür mitverantwortlich ist, dass Menschen kognitiv so unterschiedlich altern: Durch Lernen bilden sich im erwachsenen Gehirn neue Nervenzellen, und da wir alle unterschiedlich gerne und effektiv lernen, beeinflusst dies auch den individuellen Alterungsprozess.
Bei Zebrafinken und einigen anderen Vögeln ist dies schon seit Jahren belegt: Die männlichen Vögel bilden im Frühjahr neue Nervenzellen aus, die notwendig sind, um ihnen den komplexen Gesang zu ermöglichen. Beim Menschen war es lange umstritten, ob auch im erwachsenen Gehirn noch neue Neuronen durch Neurogenese entstehen können. Mittlerweile ist klar, dass dies an mindestens zwei Stellen im menschlichen Gehirn geschehen kann: in einem Gebiet unterhalb eines Ventrikels (der subventrikulären Zone), von wo aus die neu gebildeten Neuronen in den für das Riechen verantwortlichen olfaktorischen Bulbus wandern und Funktionen im Riechsystem übernehmen, und im Gyrus dentatus, einer zahnartigen Struktur in der Hippocampus-Formation. Die Funktion dieser neuen Neuronen wird intensiv erforscht, und es gibt verschiedene Theorien zur Bedeutung dieser adulten Neurogenese beim Menschen.
Ihre Funktion bei einigen Tierarten dagegen ist sehr gut erforscht. So ist die Produktion, zumindest aber das Überleben dieser neu gebildeten Neuronen bei Zebrafinken davon abhängig, ob die
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