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Jung im Kopf: Erstaunliche Einsichten der Gehirnforschung in das Älterwerden (German Edition)

Jung im Kopf: Erstaunliche Einsichten der Gehirnforschung in das Älterwerden (German Edition)

Titel: Jung im Kopf: Erstaunliche Einsichten der Gehirnforschung in das Älterwerden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Korte
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erworbenes Wissen benutzt und dadurch verfestigt wird.
    Das Erwachsenenalter ist die Zeit, in der erworbenes Wissen genutzt und in zahlreiche Wissensnetze des Gehirns eingespeist wird. Mit zunehmendem Alter treffen wir seltener auf neue unbekannte Fakten (man weiß eben vieles schon) und wendet seltener Lernstrategien an, weil es nicht mehr notwendig scheint. Gleichzeitig entwickeln sich bei vielen Menschen Routinen, etwa im Berufsalltag. In den mittleren Jahren trainieren die Menschen ihr Gedächtnis schlichtweg weniger, was den Erwerb neuer Informationen anbelangt. Dies bleibt für viele Jahre unbemerkt, schließlich »funktioniert« das Gedächtnis ja gut. Was aber nicht heißt, dass nicht bereits um das 50. Lebensjahr herum Irritationen auftreten:
    ■Das Konzentrationsvermögen lässt nach. Wir schaffen es nicht mehr mühelos, sechs Stunden am Stück eine neue Sprache zu lernen.
    ■Die Kapazität des Arbeitsgedächtnisses wird geringer.
    ■Die Geschwindigkeit, neue, vor allem große Mengen gleichzeitig dargebotener Informationen zu verarbeiten, nimmt ab.
    ■Jenseits der 50 führen wir einen erbitterten Kampf gegen das Vergessen: Genau genommen führen wir diesen Kampf nicht zum ersten Mal, aber wir verlieren ihn immer häufiger.
    ■Das prospektive Gedächtnis (Speichern von Plänen und Absichten) arbeitet ineffizienter. Wir vermögen z. B. nicht mehr so schnell und sicher abzuschätzen, wie eine Sachlage sich entwickeln wird.
    Das Gedächtnis wird also nicht schlagartig schlechter, aber wir beanspruchen es kontinuierlich weniger. Entsprechend lassen die Fähigkeit, Neues zu erlernen, und die Präzision des Faktengedächtnisses nach. Darüber hinaus beginnt der Hippocampus, einer der Hauptakteure des Faktenlernens und des autobiographischen Gedächtnisses, schon vor dem 30. Lebensjahr, weniger leistungsfähig zu werden; doch dieser Leistungsverlust kann durch die große Zahl vorhandener, neu gebildeter Neuronen und Synapsen, die auf vielfältige Art und Weise die gleichen Gedächtnisinhalte an vielen verschiedenen Stellen abspeichern, über viele Jahrzehnte kompensiert werden.
    Der geistige Notizblock
    Typische Situationen im Alltag: Sie suchen verzweifelt Ihre Brille – dabei haben Sie sie vor einer Stunde auf dem Kopf hochgeschoben. Sie treffen einen Freund, um ein geliehenes Buch zurückzugeben, und tragen es auf dem Weg nach Hause immer noch in der Tasche. Sie suchen den Haustürschlüssel, doch der steckt im Schloss. Irgendwann fängt man an, sich die wichtigen to dos aufzuschreiben, hat immer einen Notizblock bei sich, um Wichtiges aufzuschreiben – nach dem Motto: »Ich darf auf keinen Fall vergessen …«
    Im Alter ist der Teil unseres Gedächtnisses, der für Pläne und Absichten verantwortlich ist und den man sich wie einen geistigen Notizblock für zukünftige Ereignisse vorstellen kann – das sogenannte prospektive Gedächtnis –, besonders in Mitleidenschaft gezogen (siehe Abb. 21).

    Abbildung 21: Prospektives Gedächtnis
    Ehe der Impuls für eine Handlung in unserem Gehirn entsteht, gleichen verschiedene Areale die Zuständigkeit und den logischen Ablauf der Gedanken ab.
    Funktioniert das prospektive Gedächtnis nicht optimal, betrachten wir uns oder andere als zerstreut. Einer der Gründe für sein schlechteres Funktionieren ist, dass neue Informationen (und Pläne, die immer neu sind) im Alter generell schlechter abgespeichert werden können, vor allem wenn wenige Assoziationen mit dem Vorhaben verbunden sind. Zusätzlich wird die Arbeit des prospektiven Gedächtnisses erschwert, indem die Kapazität des Arbeitsgedächtnisses abnimmt. Dies bedingt, dass wir leichter von Dingen, die wir uns vorgenommen haben, abgelenkt werden, und es erhöht die Chance, dass der mentale Notizblock durch andere Tätigkeiten bzw. Vorhaben überschrieben wird. Noch ärgerlicher ist für ältere Menschen der Umstand, dass sie häufiger nicht mehr genau wissen, ob sie eine bestimmte Handlung, an die sie sich erinnern wollten, bereits ausgeführt haben oder nicht (z. B. ist die Tür nun abgeschlossen oder nicht, der Herd aus oder nicht …). Und selbst eine entsprechende Notiz im Kalender ist nur dann hilfreich, wenn man auch daran denkt, in den Kalender zu schauen! Wenn das prospektive Gedächtnis völlig ausfällt, wie dies bei der Alzheimer-Erkrankung der Fall ist (siehe Kapitel 7), ist es nicht nur schwierig, sich überhaupt an die Pläne zu erinnern, sondern auch die Maßnahmen, um sich an seine Vorhaben zu

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