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Jung im Kopf: Erstaunliche Einsichten der Gehirnforschung in das Älterwerden (German Edition)

Jung im Kopf: Erstaunliche Einsichten der Gehirnforschung in das Älterwerden (German Edition)

Titel: Jung im Kopf: Erstaunliche Einsichten der Gehirnforschung in das Älterwerden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Korte
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explizite Gedächtnis sind aber auch tiefer gelegene Strukturen wichtig, etwa das basale Vorderhirn (Nucleus basalis). Der Nucleus basalis ist einer der wichtigsten Kerne in der neuronalen Choreographie der Gedächtnisbildung. Hier liegen Nervenzellen, die als Botenstoff Acetylcholin benutzen und weitläufig in die Großhirnrinde ziehen. Er ist im vorderen Teil des Gehirns gelegen (unterhalb der Großhirnrinde vor dem Thalamus) und entscheidend daran beteiligt, dass positive Assoziationen das Lernen erleichtern. Auch für die Konzentrationsfähigkeit spielt er eine große Rolle, etwa wenn wir über Stunden einem Scheinwerfer gleich unsere Aufmerksamkeit nur auf einen Gegenstand richten und alles andere dabei ausschalten. Fatalerweise ist es ausgerechnet diese für das Gedächtnis so wichtige Region, die bei Alzheimer-Patienten als eine der ersten geschädigt wird.
    Das Kleinhirn mit den Basalganglien (große Gehirnareale, die sich unterhalb der vorderen Großhirnrinde befinden) ist hauptsächlich für motorische Lernvorgänge verantwortlich. Die Tatsache, dass sich verschiedene Gedächtnissysteme in verschiedenen Gehirnarealen unterschiedlich stark entwickelt haben, erklärt auch, warum manche Menschen eine bestimmte Gedächtnisleistung sehr gut beherrschen, in anderen aber – unabhängig vom Alter – ein nicht so ausgeprägtes Leistungsvermögen zeigen. So kommt es, dass manche Menschen sehr gut Bewegungsabläufe lernen oder sehr gut visuelle Zusammenhänge erinnern können, während ihr Namens- oder Zahlengedächtnis nicht so gut funktioniert, da ihr motorischer Cortex sich optimal entwickelt hat, während der Schläfenlappen suboptimal in die Schaltkreise des Gehirns eingebaut ist. Hier gilt es, den Gehirnstrukturen, die weniger stark ausgebildet sind, durch Übung auf die Sprünge zu helfen. Das ist durchaus realistisch, wie Studien an Musikern bewiesen haben. So ist beispielsweise in den Gehirnen von Geigern und Gitarrespielern ein vergrößerter Bereich in den Gehirngebieten zu erkennen, die motorische und Tastempfindungen der linken Hand verarbeiten, welche besonders genau greifen muss. Es konnte gezeigt werden, dass dies ein Trainingseffekt ist und nicht eine angeborene Gehirneigenschaft. Trainieren und Üben können bis in das hohe Alter hinein noch zu strukturellen Veränderungen im Gehirn führen. Aber auch bei Dingen, die wir erst als Erwachsene beginnen, zeigen sich nach intensivem Üben Strukturveränderungen: So konnte man nachweisen, dass sich bei Erwachsenen, die nicht jonglieren konnten, es aber im Rahmen einer Studie erlernten, die daran beteiligten Gehirnstrukturen signifikant vergrößerten. Auch das Erlernen von Computerprogrammen im hohen Alter hatte bei Probanden, die zum ersten Mal am Rechner saßen, positive Wachstumsveränderungen in Hippocampus und Stirnlappen zur Folge.
    Diese und andere Beispiele belegen, dass fast jede Nervenzelle im Gehirn darauf programmiert ist, zu lernen und sich entsprechend zu verändern. Art und Umfang werden allerdings im Laufe des Lebens modifiziert. Die erfahrungsabhängige Umorganisation von Nervenzellen sowie ganzer Hirnareale bezeichnet man als Neuroplastizität. Diese nimmt zwar im Alter ab, geht aber nicht vollkommen verloren; lediglich die neuronale Kraft der Veränderung lässt nach. Der Begriff Plastizität beschreibt hierbei die Fähigkeit der Nervenzellen, neue Verbindungen zu knüpfen oder zu trennen bzw. bestehende zu stärken oder zu schwächen. Mit anderen Worten: Indem neue Informationen gespeichert werden, formen sich Verbindungen zwischen den Nervenzellen beständig um, und entsprechend verändert sich auch das Gehirn. Bis zu einem gewissen Grad kann Übung also weniger stark ausgebildete Gehirnareale positiv verstärken und manchmal sogar ihre Verarbeitungskapazität steigern. Letzteres setzt allerdings ein intensives Üben voraus, ist aber ein Mechanismus, der die abnehmende Wirkkraft des Gedächtnisses im Alter kompensieren kann. Diese Erkenntnis sollte uns dazu ermutigen, die Neuroplastizität unseres Gehirns so lange wie möglich aktiv zu halten. Wie Sie das tun können, erfahren Sie in Kapitel 8.
    Wie werden Erinnerungen im Gehirn festgehalten?
    Um zu verstehen, wie Erinnerungen gespeichert werden, muss man sich auf die Ebene der Nervenzellen begeben – die ja am Ende die Agenten sind, die unsere Erinnerungen abspeichern bzw. deren Abspeicherung verweigern. Was sind also die zellulären Grundlagen des Lernens, Abspeicherns und

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