Jung im Kopf: Erstaunliche Einsichten der Gehirnforschung in das Älterwerden (German Edition)
Lebenserfahrung haben wir eben einige Erfahrung im Umgang mit Stress sammeln können!
Eine Studie, die 1958 in Kalifornien begonnen und im Jahre 2005 beendet wurde, hatte Frauen vom College bis zur Pensionierung in regelmäßigen Abständen nach ihrer Lebenszufriedenheit befragt. Und auch hier zeigte sich, dass ihre Lebenszufriedenheit mit den Jahren eher zu- als abnahm. Daneben wurden das Selbstbewusstsein und das Verantwortungsbewusstsein der Frauen analysiert – und auch sie stiegen bei einem Großteil der untersuchten Frauen. Und das, obwohl Frauen im Alter um die 50 bzw. dann, wenn ihre Kinder aus dem Haus gehen, oft zu einem schlechten Gewissen gegenüber ihren Kindern (dazu neigen Mütter ja allgemein) tendieren und sich als Rabenmutter fühlen, weil sie trotz der Trauer über das Flüggewerden ihrer Kinder die nun anbrechende Lebensphase und den neuen Freiraum genießen. Keine Frage: Vor 30 Jahren mag es Müttern wie Vätern schwerer gefallen sein loszulassen als heute. Das hängt unter anderem damit zusammen, dass es weniger Kommunikationsmöglichkeiten gab, man sich nur noch selten sah und die Uni-Welt den Eltern, die in der Mehrheit selbst keine akademische Bildung hatten, sehr fremd schien. Heute kommuniziert man über Skype, E-Mail und Facebook, bucht für 50 Euro einen Flug an den Studienort der Kinder und kann dem Töchterlein aus der eigenen Studentenzeit erzählen. Die Welt ist kleiner geworden.
Dennoch: Lebenskrisen entstehen oft dann, wenn man sich entscheiden muss. Junge Erwachsene müssen nach dem Schulabschluss wählen, welchen Beruf sie ergreifen wollen, welche Ausbildung sie anstreben, wie sie leben wollen. Zumindest Frauen müssen sich mit Mitte 30 oder spätestens Anfang 40 entscheiden, ob sie Kinder wollen und ob und wie sie Familie und Beruf miteinander vereinbaren können. Mit 50 oder Mitte 50 stehen Fragen an, wie man sein restliches Berufsleben verbringen will, wie man mit einer möglicherweise gescheiterten Partnerschaft zurechtkommt, die Kinder sind dann mitten in der Pubertät oder werden flügge und verlassen das Zuhause. Oft beginnt darüber hinaus die Phase, in der wir uns verstärkt um unsere alt gewordenen Eltern kümmern müssen. Gerade in diesem Alter häufen sich also die Umstellungen, die mitnichten leicht zu bewältigen sind. Und auch wenn diese Veränderungen keineswegs reibungslos vonstattengehen, kaum ein Gehirn wäre besser geeignet, all dies zu bewältigen, als eines jenseits des 50. Lebensjahres.
Wie aber kommt es, dass man zwischen dem 50. und 65. Lebensjahr besonders gut mit Berufs- und Alltagsstress umgehen kann und die Lebenszufriedenheit in diesem Alter besser ist als zu jedem anderen Zeitpunkt unseres Lebens? Wir wissen heute: Diese emotionalen Verhältnisse haben mit den Veränderungen in unserem Gehirn zu tun. Welche das sind und wie sie sich auswirken, soll das Thema dieses Kapitels sein.
Positive Erinnerungen werden leichter erinnert
Es gibt bei den Peanuts einen wunderbaren Dialog zwischen Linus und Charlie Brown, in der Erstere darüber philosophiert, dass wir uns nicht so sehr um die Zukunft sorgen und mehr an heute denken sollten. Woraufhin Charlie Brown in der ihm üblichen Manier entgegnet, dass er das völlig anders sieht, denn das würde Resignation bedeuten. Er würde immer noch hoffen, dass gestern besser wird … Damit hat er den Nagel auf den Kopf getroffen, zumindest was Erinnerungen im Alter angeht: Denn je älter man wird, umso mehr positive Erinnerungen lassen sich aktiv abrufen. Mit zunehmendem Alter fokussieren wir eher auf positive Erinnerungen und bewerten viele erinnerte Begebenheiten positiver, als dies in jüngeren Jahren der Fall war. Dieses Phänomen lässt sich auch in kontrollierten Laborsituationen belegen: Probanden, die die 50 bereits überschritten hatten, erinnerten sich besser an positive als an negative Bilder, die sie zuvor in einem Test gesehen hatten, während Probanden unter 30 Jahren keine Präferenz aufwiesen.
Und auch die Grundstimmung ist, wie wir bereits gesehen haben, jenseits der 50 besser als in jedem anderen wissenschaftlich untersuchten Lebensabschnitt. Was nicht bedeutet, dass jeder Mensch im Alter glücklich ist. Aber Menschen, die zu Trübsal neigen, sehen mit zunehmendem Alter sich und die Welt positiver. Selbst Depressionen treten im Alter nicht häufiger auf als in jungen Jahren (im Gegenteil: Altersdepressionen sind wesentlich seltener als Jugenddepressionen). Wer im Alter zur Depression neigt,
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