Jung im Kopf: Erstaunliche Einsichten der Gehirnforschung in das Älterwerden (German Edition)
hat nicht erst im Alter damit zu kämpfen, sondern schon häufiger im Laufe seines Lebens psychische Instabilitäten erlebt. Dies gilt allerdings nicht für Menschen, deren Gehirne von neurodegenerativen Erkrankungen wie Parkinson oder Alzheimer betroffen sind; hier sind Depressionen häufig auftretende Begleit- und Folgeerscheinungen, auch wenn sie bislang in ihrem Leben nicht starken Stimmungsschwankungen ausgesetzt waren.
»Wir haben uns kulturell
als ›alt‹ abstempeln
lassen, ebenso wie man
sich die Midllife-Crisis
hat andichten lassen.
Altern als reiner Verfall
ist aber wissenschaftlich
ebenso wenig haltbar wie
die Midlife-Crisis.«
Barbara Strauch
Wie sind diese positiven Gefühlsbefunde durch Alterungs- und Reifungsprozesse des Gehirns zu erklären? Der New Yorker Neurologe Elkhonon Goldberg entwickelte dazu folgende plausible Theorie: Im Verlauf der Alterung des Gehirns gewinnt die linke Hemisphäre mehr an Gewicht, während die rechte Hemisphäre an Einfluss einbüßt, was Auswirkungen darauf hat, wie ältere Menschen Begebenheiten erinnern (siehe auch Kapitel 4) und mit welcher emotionalen Grundeinstellung sie der Welt gegenüberstehen. Die linke Hemisphäre wird im Laufe des Lebens immer stärker genutzt, schließlich bewahrt sie immer mehr Erinnerungen auf und ist für Mustererkennungsprozesse zuständig. Die für Neues zuständige rechte Hemisphäre dagegen wird im Alter weniger beansprucht: Zum einen weil die Neugierde generell nachlässt, zum anderen weil man viele Situationen im Verlaufe des Lebens schon mal erlebt hat und dann mit in der linken Hemisphäre bereits abgespeicherten Erfahrungen vergleicht. Die Vertiefungen der Großhirnrinde – Sulci – werden im Laufe des Alterungsprozesses generell immer flacher. Dies spricht für eine Atrophie (Gewebsschwund) des umliegenden Gewebes, die besonders ausgeprägt im Scheitel- und Hinterhauptslappen der rechten Hemisphäre zu finden ist, während die Sulci der linken Hemisphäre weniger altersbedingte Veränderungen aufweisen (siehe Kapitel 3). In der rechten Hemisphäre kann der altersbedingte Abbau schon vor dem 50. Lebensjahr sichtbar werden, während der abgeschwächte Abbau in der linken Hemisphäre statistisch gesehen erst zehn Jahre später beginnt!
Wie erklären diese hemisphärischen Machtverschiebungen nun aber die positiver werdende Lebenswahrnehmung? Zum einen spielt die linke Hemisphäre, vor allem im linken Stirnlappen, eine größere Rolle bei der Verarbeitung positiver Emotionen, während zum anderen die rechte Großhirnhemisphäre bei negativen Emotionen weniger dominant zum Einsatz kommt. Beweise für diese relativ neuen Beobachtungen sind, dass eine Schädigung der linken Hemisphäre häufiger zu einer Depression führt, als dies bei einer Schädigung der rechten Seite der Fall ist. Schädigungen der rechten Hemisphäre dagegen führen häufiger zu manischen Zuständen bzw. zur »hohlen« Euphorie, also nicht von außen induzierten euphorischen Zuständen oder zu einem Zustand der sogenannten schönen Gleichgültigkeit (belle indifference). Diese Aussagen aufgrund von Gehirnschäden werden unterstützt durch aktuelle Ergebnisse, die mit Hilfe von bildgebenden Verfahren an gesunden Probanden gewonnen wurden. Hier zeigte sich, dass beim Verarbeiten von erfreulichen Informationen eine erhöhte Aktivität im linken Stirnlappen zu beobachten war, während traurige und unerfreuliche Bilder eine stärkere Aktivierung des rechten Stirnlappens zur Folge hatten. Gleiches ergab sich bei einem Spiel, das sowohl positive wie negative finanzielle Folgen haben konnte: Standen die Probanden vor einem relativ großen Gewinn, wurde die linke Hemisphäre aktiviert, liefen sie aber Gefahr, Geld zu verlieren, war die rechte Hemisphäre aktiver.
Ein weiteres Forschungsergebnis belegt den Unterschied zwischen den beiden Hemisphären: Während einer Meditation, die zu Recht als eine sehr ausgeglichene Gemütsverfassung gilt, ist vor allem der linke präfrontale Cortex im Stirnlappen aktiviert, während die Aktivität des rechten präfrontalen Cortex unterdrückt ist. Im Übrigen sei bemerkt, dass Meditation eine hochkonzentrierte Tätigkeit ist, die in jeder Lebensphase, ausgesprochen gut aber im Alter, in ganz besonderem Maße die Konzentrationsfähigkeit und die selektive Aufmerksamkeit steigert – bedingt durch einen Trainingseffekt des Arbeitsgedächtnisses.
Zusammenfassend lässt sich Folgendes sagen: Sowohl Patientenstudien als auch
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